Gnosis: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Gnosis

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Definition: Gnosis (griech.: Wissen im Sinne von Erkenntnis) ist eine zusammenfassende Bezeichnung für mehrere spätantike, religiöse und dualistische Erlösungsbewegungen unterschiedlicher Herkunft. Die Gnosis stellt den Weg der Seele dar, zurück zum Ursprung des Lichtes und Geistigen erneut zu gelangen, aus dem sie ursprünglich gekommen, aber aus dem sie durch einen tragischen Fall in die finstere Welt der Materie, der Leiblichkeit und Vergänglichkeit gefallen ist.

Information: Die Welt entsteht nach Ptolemäischer Auffassung durch einen Fehltritt einer weiblichen Figur (Sophia, Prunikos, Achamoth), die sich außerhalb des > Pleroma (All) begibt. Die Funktion des Erlösers ist es, dem Menschen zu helfen, sich nicht in diese materielle Weit verstricken zu lassen (Joh 15, 19), sondern seine Seelen- oder Lichtsubstanz zu sammeln und ins Jenseits (> Pleroma) zu bringen. Als geistige Bewegung ist die Gnosis parallel zum Christentum entstanden, als die introvertierte Auffassung, der nicht die äußeren Taten und Biografie des Menschensohns wichtig ist, sondern der sich darin manifestierende Geist. Ihre Schriften liegen seit der Entdeckung von Nag Hammadi (1946) in Abschriften des 4. Jahrhunderts vor. Es ist ein revolutionäres Ereignis gewesen, 13 Original-Codices im Sand Ägyptens zu finden, nachdem man bis dahin – von wenigen Ausnahmen (Pistis Sophia u. a.) abgesehen – auf die Schriften der sie bekämpfenden Kirchenväter (Irenäus, Hippolytus, Epiphanius, Tertullian) angewiesen war. Der Erforschung dieser geistigen Unter- bzw. Nebenströmung des Christentums sind dadurch neue Impulse verliehen worden.

Der andere entscheidende Impuls zum Verständnis der Gnosis ist in C. G. Jungs Gedanken zu finden, dem M. Buber vorgeworfen hat, selber ein Gnostiker zu sein. Bis dahin (und noch heute) ist in theologischen Kreisen „Gnostiker“ ein Schimpfwort und „Gnosis“ eine Häresie (Abfall vom orthodoxen Glauben). Die Gnostiker haben die Offenbarung nie abgelehnt, ja sie haben das Evangelium sogar wörtlicher als manche Theologen genommen, um dahinter den eigentlichen geistigen Sinn zu verstehen. Sie sind die intuitiven Denker, die den tieferen Sinn des Christusereignisses verstehen wollen. Deshalb sind ihre Schriften oft in die Form geheimer Offenbarungen, (Apokalypse) Christi in der Zeit zwischen Tod und Auferstehung, gekleidet. Das ist natürlich den buchstabengetreuen Theologen ein Stein des Anstoßes (Jes. 8, 14), doch folgen die Gnostiker dem Grundsatz, dass der Buchstabe töte, der Geist aber belebe (2. Kor 3, 6). Sie könnten als die ersten christlichen Tiefenpsychologen bezeichnet werden und sind daher für Jung eine Entdeckung als Parallele seiner Symbolik des > Selbst. Er hat in seinen „Septem Sermones ad Mortuos“ (Sieben Predigten an die Toten), anlässlich seiner Auseinandersetzung mit dem kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives), eine eigene gnostizierende Offenbarung publiziert (vgl. Jung, C. G., Jaffé, 1962, Anhang), deren private Publikation er im Alter als „Jugendsünde“ bezeichnete (Jung, Jaffé, 1962, S. 388 f). Darin ist seine ganze spätere Entdeckung des Individuationsprozesses (> Individuationsprozess) in nuce enthalten. In seinem Buch „Aion“ hat Jung die gnostischen Aussagen zur Symbolik des Selbst und deren Sinn analysiert, soweit sie ihm damals (1950) zugänglich gewesen sind. Kurz darauf ist einer der originalen Codices von Nag Hammadi angekauft und Jung im Namen des Institutes überreicht worden. Dieser Kodex wurde auf den Namen Jung getauft. Es war der einzige Kodex, der je aus Ägypten herauskam. Heute wird er aber wieder im Museum von Kairo mit den übrigen Codices verwahrt.

Literatur: Ribi, A. (1999): Die Suche nach den eigenen Wurzeln; Ribi, A. (2001): Zeitenwende: Die geistigen Wurzeln unserer Zeit in Hellenismus, Hermetik, Gnosis und Alchemie.

Autor: A. Ribi