Kind, Göttliches: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Kind, Göttliches
Links: > Heldenmythos > Kindarchetyp > Kindheit/Kindheitsphasen > Selbst
Definition: Der > Archetyp des göttlichen Kindes ist in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) von grundsätzlicher Bedeutung. In ihm verbindet sich die, jedem Menschen zugängliche konkrete Erfahrung und Erinnerung, selbst ein Kind gewesen zu sein, mit den mythischen Vorstellungen eines außergewöhnlichen Kindes, gezeugt, geboren und aufgezogen unter besonderen oder wunderbaren Umständen. (> Heldenmythos) Die Phänomenologie des göttlichen Kindes ist vielfältig, doch lassen sich einige Grundzüge immer wieder feststellen: Seine geheimnisvolle und wunderbare Geburt, seine Aussetzung und Gefährdung, die Verlassenheit des Kindes, die Unüberwindlichkeit und das Kind als Anfangs- und Endwesen.
Information: Der Mythenforscher Karl Kerenyi hat das Mythologem des göttlichen Kindes beschrieben. Über die Mythen hat der Mensch Zugang zu seinem Ursprung. "Auf diesen Ursprung als den Beginn einer neuen Welteinheit weist das Mythologem vom göttlichen Kind". (Kerenyi, 1951, S. 18) Das göttliche Kind verbindet das Werden des Einzelnen mit dem Ganzen der Natur und des Kosmos auch im Sinne der Verbindung mit den Göttern oder Gott. Kerenyi beschreibt Schicksale und Besonderheiten göttlicher Kinder, z. B. Hermes, Apollo, Zeus, Dionysos in Griechenland, sowie die Vision des Einsiedlers Narayana, dem ein Knäblein begegnet, "der mir einen Ruheplatz in seinem Inneren anbot [..] Drinnen in seinem Bauch sehe ich die ganze Welt [..] Über hundert Jahre wandere ich darin umher, ohne ans Ende seines Körpers zu kommen." (vgl. Kerenyi, 1951, S. 63f) Dabei wird er seines langen Lebens und seines Menschendaseins überdrüssig, ein Hinweis auf die Tiefe und Reichweite der Erfahrung des göttlichen Kindes.
Das Erkennen und Erleben der, in Mythen und Visionen, sichtbaren und jedem Menschen zugänglichen Ganzheit, vermittelt eine große Kraft und Zuversicht. "Im Bild des Urkindes spricht die Welt von ihrer eigenen Kindheit, davon, was Sonnenaufgang ebenso wie die Geburt eines Kindes über die Welt aussagt." (Kerenyi, 1951, S. 72) In einer Welt, die von Unheil heimgesucht wird, hat das Mythologem des göttlichen Kindes erlösenden Charakter, wie es auch in der Geburtsgeschichte Jesu in der christlichen Kultur zum Ausdruck kommt. Der Archetyp des göttlichen Kindes vermittelt Sinn und Kraft in jeder noch so aussichtslosen Lage, die das Schicksal der göttlichen Kinder immer kennzeichnet, sie aber nie vernichtet. Das Kindmotiv und das göttliche Kind stellen durch ihre enge Verbindung, teilweise Synonymität einen Ausdruck des Göttlichen im Menschen dar. Für die therapeutische Praxis ist es eine unschätzbare Hilfe, dem Menschen in Verzweiflung und Angst wieder die Gewissheit des "Goldkeims" in sich, wie es die Schöpfungsmythen beschreiben, durch unmittelbares eigenes Erleben zu vermitteln.
Literatur: Asper, K. (1988): Von der Kindheit zum Kind in uns; Kerenyi, K. (1951): Das Göttliche Kind und das Göttliche Mädchen; Waiblinger, A. (1986): Große Mutter und göttliches Kind.
Autor: A. Seifert