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Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Ethologie
Links: > Archetyp > Biologie > Evolutionäre Psychologie > Instinkt > Tiefenpsychologie > Unbewusstes
Definition: Die Ethologie (griech. ethos: Gewohnheit, Sitte) oder Verhaltensforschung ist ein Teilgebiet der > Biologie, das sich mit der objektiven Erforschung des Verhaltens der Tiere (Tierethologie) und des Menschen (Humanethologie) befasst. Das Aufkommen der Ethologie in den 50er Jahren bedeutet für die Biologie einen radikalen Wandel der Blickrichtung. Hat sich biologische Forschung bis dahin auf morphologische Strukturen und physiologische Prozesse beschränkt, interessiert sie sich nun auch für die Innerlichkeit der Lebewesen: für das, was Tiere erkennen, worauf und wie sie reagieren, was sie an angeborenem (phylogenetisch erworbenem) Wissen besitzen und inwieweit sie dieses durch Lernen noch modifizieren können und müssen. Im Grunde genommen ist die Ethologie eine Wissenschaft vom Unbewussten (> Unbewusstes). Ebenso wie die Tiefenpsychologie erforscht sie Struktur und Funktion unbewusster kognitiver Systeme.
Information: Während aber mit der tiefenpsychologischen Methode nur das menschliche Unbewusste erschlossen werden kann, erforscht die Ethologie in erster Linie das Unbewusste von Tieren, in Gestalt der Humanethologie jedoch auch das des Menschen. Während aber die Tiefenpsychologie von Aussagen ausgeht und die Wechselwirkung zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten – zwischen Ich und Selbst – ergründet, besteht die Methode der Ethologie im Beobachten motorischer Äußerungen. Aus den dabei erkannten Verhaltensrepertoires (Ethogrammen) der verschiedenen Spezies schließt sie dann auf die Struktur der kognitiven Systeme, welche ihnen zugrunde liegen. Auch diese erwiesen sich als zentriert, d. h. zu Informationsverarbeitung und -bewertung fähig. Da jedoch bei Tieren als unbewussten Lebewesen nicht von einem Ich-Bewusstsein gesprochen werden kann, wären diese zentralen Einheiten – in Analogie zur tiefenpsychologischen Terminologie – als Selbst(e) zu bezeichnen.
Ebenso wie einst C. G. Jung aus der Artspezifität der in den Gestaltungen des Unbewussten vorkommenden Bedeutungsmuster (> Archetyp) folgert, es lägen ihnen zentralnervöse Strukturen zugrunde, ziehen auch die Pioniere der Ethologie – insbesondere K. Lorenz und N. Timbergen – aus der Beobachtung artspezifischer Verhaltensmuster den Schluss, dass diesen zentralnervöse Strukturen zugrunde liegen. Diese zu erforschen ist indessen Sache der Neurobiologie. Mit der Methode der Ethologie untersucht I. Eibl-Eibesfeldt – der Begründer der Humanethologie – auch das Verhalten des Menschen. Quer durch die Kulturen dokumentiert er auf Film dessen motorische Äußerungen. Die Themen seiner Bestandsaufnahme: die Beziehungen zwischen Mutter und Kind, die Annäherung der Geschlechter, das Rangordnungsstreben und das Territorialverhalten; ferner das Verhalten bei Objektbesitz und -tausch, das innerartliche Feindverhalten sowie Neugier-Verhalten und aggressive Exploration. Für alle diese Fälle kann er sogenannte Universalien des Verhaltens – Grundmuster menschlichen Sozialverhaltens – nachweisen. Aus deren ubiquitären Vorkommen ergibt sich – gleich wie bei Tieren – der Schluss, dass diese artspezifisch oder, wie Ethologen sagen, phylogenetisch erworben sind. Das Gesamt dieser Muster bezeichnete Eibl-Eibesfeldt als Grammatik des Sozialverhaltens. Analog zu dieser Terminologie könnte man das Gesamt dessen, was Jung Archetypen (> Archetyp) nennt, auch als Grammatik des Welterfassens und der Lebensbewältigung bezeichnen. Die ethologische Forschung hat zum einen die (von Bewusstseinspsychologen, Philosophen und Theologen lange Zeit abgelehnte) tiefenpsychologische Theorie bestätigt. Anderseits hat sie das mit tiefenpsychologischer Methode gewonnene Wissen über das Unbewusste erweitert. Erweitert hat sie es zum einen – als Humanethologie – in der ‚horizontalen‘ Ebene, zum andern – als evolutionäre biologische Kognitionsforschung – der Evolutionsachse entlang abwärts. Erweitert hat sie dabei das Wissen über das Unbewusste, indem sie nachweist, dass schon einfachste Lebewesen über ein unbewusstes kognitives System verfügen. So ist z. B. schon ein Bakterium in der Lage, seine Nahrung zu erkennen, ihr die Energie zu entziehen und diese in programmgesteuerte Stoffwechselprozesse einzuspeisen, sogar mit seinen Artgenossen (chemisch) zu kommunizieren. Diese ‚vertikale‘ Betrachtung veranlasst K. Lorenz, die Evolution als Wissen gewinnenden Prozess zu bezeichnen. Dies wiederum erschließt den Tiefenpsychologen das Verständnis für das Zustandekommen des menschlichen Unbewussten sowie des ‚angeborenen‘ Wissens des Selbst (> Wissen, absolutes).
Literatur: Eibl-Eibesfeldt, I. (1999): Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung; Obrist, W. (1990): Archetypen; Obrist, W. (1999): Die Natur – Quelle von Ethik und Sinn.
Autor: W. Obrist