Komplexität: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Komplexität

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Definition: Komplexität (lat. complexus: Umfassung, Umschließung, Umschlingung, Zusammenfassung) bezeichnet die Gesamtheit aller Möglichkeiten oder die Vielschichtigkeit. Der Begriff spielt in den modernen Naturwissenschaften eine wichtige Rolle. C. G. Jung fasst den Menschen und die Psyche als ein hochkomplexes, schöpferisches System mit > Selbstregulation auf und warnt beständig vor der Gefahr des Reduktionismus (> Reduktion) oder der theoretischen Einengung und Festlegung. Er will vermeiden, dass seelische Vorgänge, seien es Störungen, normale oder kreative Prozesse nur auf frühkindliche Ereignisse oder nur auf biografische Konstellationen zurückgeführt werden.

Information: Die Seele sei niemals nur ein "nichts als", sie sei so ungeheuerlich kompliziert, dass man jede Neurosentheorie von vornherein als beinahe wertlos bezeichnen könne. "Das Wesen der Psyche reicht wohl in Dunkelheiten weit jenseits unserer Verstandeskategorien. Die Seele enthält so viele Rätsel wie die Welt mit ihren galaktischen Systemen, vor deren erhabenem Anblick nur ein fantasieloser Geist sein Ungenügen sich nicht zugestehen kann. Bei dieser äußersten Unsicherheit menschlicher Auffassung ist aufklärerisches Getue nicht nur lächerlich, sondern auch betrüblich geistlos." (Jung, GW 8, § 815)

Auch wenn man natürlich berücksichtigen muss, dass in der Theorienbildung eine gewisse Reduzierung auf zentrale Faktoren - auf einige typologische Merkmale, auf einige zentrale Triebe, Bedürfnisse und Konflikte, auf einige Eltern- und Familienkonstellationen oder auf einzelne traumatische Erfahrungen - unvermeidbar ist, um sich überhaupt orientieren zu können oder um wissenschaftlich zu arbeiten, so muss man sich doch bewusst bleiben, wie beschränkt und ungenügend diese Ansätze jeweils im Einzelnen sind. Jung hat von allem Anfang an die biopsychosoziale > Ganzheit des Menschen im Sinn und von daher seine Psychologie interdisziplinär und integrativ (> Integrative Psychologie/Psychotherapie) ausgerichtet. Aufgrund der Komplexität und Einzigartigkeit jedes Menschen und jeder Beziehung ist die > Analyse für ihn mehr eine Kunst als die festgeschriebene Anwendung einer Theorie oder Technik. "Die Persönlichkeit des Kranken fordert die Persönlichkeit des Arztes auf den Plan und nicht technische Kunstgriffe. Wenn ich mich als Psychotherapeut dem Patienten gegenüber als ärztliche Autorität fühle und demgemäß den Anspruch erhebe, etwas über seine Individualität zu wissen und gültige Aussagen über diese machen zu können, so bezeuge ich damit meine Kritiklosigkeit, denn ich bin ja keineswegs in der Lage, das Ganze der mir gegenüberstehenden Persönlichkeit zu beurteilen.. Ich muss daher wohl oder übel, insofern ich überhaupt einen individuellen Menschen psychisch behandeln will, auf alles Besserwissen, auf alle Autorität und alles Einwirkenwollen verzichten." (Jung, GW 16, § 2)

Literatur:

Autor: L. Müller