I Ging
Keyword: I Ging
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Definition: I Ging: I bedeutet Wandlung, Veränderung, Ging bedeutet Buch, also das Buch der Wandlungen. Aktueller Forschungsgegenstand ist das Mawangdui-Yijing, ein auf Seide geschriebener vollständiger Text, der 1973 in einer großen Lacktruhe der umfangreichsten und wertvollsten Grabbibliothek Chinas gefunden wurde. Die Schließung des Grabes fand im Jahre 168 v. Chr. statt. Der Text enthält sämtliche Orakelaussagen zu den 64 Hexagrammen sowie zu den jeweiligen 6 Einzellinien, nicht aber den stark konfuzianisch beeinflussten Bildkommentar. Diese vollständige Fassung des Yijing wurde von Dominique Hertzer erstmalig übersetzt und herausgegeben. (Hertzer, 1996)
Information: Weiterhin gültig ist der textus receptus, die bisherige klassische Fassung, die von Richard Wilhelm übersetzt, kommentiert und herausgegeben wurde. Diese Fassung stammt aus der Zeit 550-630 n. Chr. Es gibt weitere, aber unvollständige Fassungen. Zum Beispiel ließ ein chinesischer Kaiser 175 nach Christus alle Hexagramme in riesige Steinplatten hauen, von diesem "Steinklassiker" sind heute aber nur noch Trümmer erhalten geblieben.
Wissenschaftlich gesehen muss die Frage offen bleiben, ob die beiden vollständigen Fassungen des Yijing als Varianten eines heute nicht mehr vorhandenen ursprünglichen Textes angesehen werden müssen, ob die eine falsch und die andere richtig oder beide einfach gleichwertig sind. Für die praktische und persönliche Arbeit mit dem Buch der Wandlungen hat sich die von Wilhelm editierte Fassung bewährt.
Das Yijing fasst mehr als 3000 Jahre chinesischer Weisheitstradition zusammen, es ist eines der großen Weisheitsbücher der Menschheit. Vielfältige kulturelle, religiöse und politische Einflüsse sind hier zusammengeflossen. Es ist nicht das Werk nur eines Autors, die einzelnen Quellen sind aber nicht bekannt. "Das Buch der Wandlungen ist ein Werk, das organisch langsam in Jahrtausenden herangereift ist und das man sinnend und meditierend in sich aufnehmen muss. Und dabei eröffnet gerade die scheinbare Wiederholung immer neue Ausblicke. " (Wilhelm, S. 239)
Das Buch gehört in den Bereich der divinatorischen Texte, zu denen entsprechende Methoden für die Befragung gehören, für das I Ging die Schafgarbenstängel oder das Schafgarbenorakel oder die Münzen bzw. das Münzorakel. Es werden auch Würfel benutzt. Darüber hinaus kann es aber auch als Weisheitsbuch verwendet werden.
Allein über das dem westlichen Denken vertraute, unser Wissenschaftssystem begründende Kausalitätsprinzip von Ursache und Wirkung ist der Zugang zum Yijing als einem Orakelbuch nicht zu finden. C. G. Jung hat, dieses Prinzip ergänzend, ein weiteres Prinzip postuliert, das Synchronizitätsprinzip (> Synchronizität) nach dem die Ereignisse des Lebens auch durch Gleichzeitigkeit und durch den Sinn verbunden seien. Jung weist in diesem Zusammenhang immer wieder auf den > Unus mundus, die eine Welt hin. Einen Zugang dazu haben die Mystiker (> Mystik) aller Kulturen eröffnet und gewiesen, im Westen insbesondere Meister Eckehart.
Im praktischen Umgang mit dem Orakel werden die mithilfe der Münzen oder Schafgarbenstängel erhaltenen Zeichen und Linien als Antworten auf die Fragen, die gestellt wurden, interpretiert. Die Zukunft sei in der Gegenwart immer schon als Keim vorhanden und somit dem Fragenden in ihren Umrissen und ihren Entfaltungstendenzen erkennbar. Damit ist auch das Grundgesetz des Lebens, von dem das I Ging ausgeht, benannt: das Gesetz der Wandlung. "So sind die 8 Zeichen nicht Abbildungen der Dinge, sondern Abbildungen ihrer Bewegungstendenzen". (Wilhelm, S. 11) Es gibt keinen Stillstand. Die Zukunft wird als angedeutetes Wandlungsgeschehen über die Wandlung der Zeichen zugänglich und ist damit auch beeinflussbar.
Beim Befragen des I Ging begegnen sich in der Form der Frage und des Fragenden als Person ganz Persönliches und damit individuell Begrenztes und ganz Weites, der unendliche Raum der Möglichkeiten, das Grenzenlose, Allgemeine, vom Einzelnen Losgelöste. Die Begrenzung ist, wenn auch in sehr erweiterter Form, in den 64 Hexagrammen gegeben, die Grundgesetze des Weltgeschehens sind hier gleichsam "eingefangen", der unendliche Raum ist Form geworden, das allgemeine hat sich konkretisiert in Urteilen und Bildern. "Das Buch der Wandlungen enthält das Maß von Himmel und Erde; darum kann man damit den SINN (das TAO) von Himmel und Erde umfassen und gliedern." (Wilhelm, S. 272).
Literatur: Hertzer, D. (1996): Das Mawangdui Yijing; Seifert, A., Seifert, T. (2001): So ein Zufall!; Wilhelm, R. (1972): I Ging.
Autor: T. Seifert