Archetypische Psychologie

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Keyword: Archetypische Psychologie

Links: > Analytische Psychologie > Archetyp > Unbewusstes, kollektives

Definition: Der Begründer der Archetypischen Psychologie als Weiterentwicklung der Analytischen Psychologie ist James Hillman. Er bezieht sich mit seiner Archetypischen Psychologie auf C. G. Jung sowie auf H. Corbin (1903-1978) als zweitem Vater der Archetypischen Psychologie. Corbins Idee des > Mundus imaginalis trifft die wichtige Differenzierung zwischen dem Imaginären und dem Imaginalen, sowie die Abgrenzung gegenüber dem Buchstäblich-Natürlichen.

Information: Der „mundus imaginalis“ bezieht sich auf die Bildnatur der Seele und ihrer Gehalte und insbesondere auf die Einsicht in die Wirklichkeit der Bilder. Es geht um das basale Verständnis Jungs: „Bild ist Psyche“ (Jung, GW13, § 75) und um Jungs „esse in anima“: „Ich möchte weder die relative Gültigkeit des realistischen, des esse in re, noch die des idealistischen Standpunkts, des esse in intellectu solo, bestreiten, sondern ich möchte diese äußersten Gegensätze durch ein esse in anima, eben durch den psychologischen Gesichtspunkt vereinigen. Wir leben unmittelbar nur in der Bilderwelt.“ (Jung, GW 8, § 624). „Dasein as esse in anima infinitely surpasses man“, sagt Hillman (Hillman, 1983 b). Archetypische Psychologie versteht Psychologie als sich wandelndes Geschehen, indem die Seele, aus sich heraus, über sich selber spricht und ein geschichtliches Verhältnis zur Seele sucht. Sie geht zwar auf C. G. Jung zurück, versteht sich aber als über seine Psychologie hinausführend. Archetypische Psychologie ist gesetzt als Parallelbegriff zu > Analytische Psychologie. Archetypisch ist zu verstehen als ein a priori, nicht abgeleitet, ist sui generis und universal, außerhalb von Ort und Zeit. Archetypische Psychologie ist Geschehen, keine Lehre, sondern eine Haltung, eine Ausrichtung, ein Tun. Ihr Anliegen ist das „Re-Visioning“ von Psychologie sowie von Psychopathologie und ist „Soulmaking“ – ein Begriff in Anlehnung an W. Blake und J. Keats, mit Betonung auf dem Partizip Präsenz im Sinne des Verständnisses von Seele als immer dynamischem Geschehen und von Seele, die ihrem Wesen nach immer schon Reflexion ist. Soulmaking meint Seelenarbeit als Haltung und Tun im Sinne der vertiefenden Arbeit mit den seelischen Bildern, z. B. in der so ausgeübten Traumarbeit. Archetypische Psychologie versteht sich als „polytheistische“ Psychologie (> Polytheismus) (Hillman, 1979) im Gegensatz zum „ > Monotheismus“ der Analytischen Psychologie unter einem übergeordneten Selbst. “Polytheistisch“, weil es um die Vielheit und Gleichrangigkeit der Archetypen geht. Die jeweiligen Archetypen versteht Hillman als Perspektiven, unter denen die Phänomene gesehen werden. Die wesentliche Perspektive der Archetypischen Psychologie selber ist die der Anima (> Anima/Animus: Klassische Auffassung).

Die Archetypische Psychologie versteht sich als kritische Psychologie (Revision), insofern als sie sich der jeweils wirkenden archetypischen Perspektive bewusst sein will und auch der persönlichen Gleichung des Forschers, der eine Theorie jeweils durch sein Subjekt hindurch formuliert, wobei die Theorie nach dem Verständnis der Archetypischen Psychologie immer schon archetypisch vorgegeben ist, sie also den Forscher von „innen“ her bewirkt, während er glaubt, etwas gefunden zu haben. Die Entstehung geht zurück auf die Mitte der 60-er Jahre, beginnend mit The Logos of the Soul (Hillman, 1963), weitergeführt in Suicide und the Soul (Hillman, 1964) und vielen folgenden Arbeiten Hillmans und anderer Autoren. Den Begriff Archetypische Psychologie führte Hillman 1970 ein. Als weitere wesentliche Vertreter der Archetypischen Psychologie, neben vielen anderen, seien hier die folgenden genannt: P. Berry, W. Giegerich, A. Guggenbühl-Craig, A. Guggenbühl-Jeanneret, D. Lier, R. Lopez-Pedraza, A. Samuels, M. Stein, I. Vetter-Lüscher, A. J. Ziegler. W. Giegerich hat sein Denken inzwischen weiterentwickelt vom rein bildhaft-imaginalen hin zum logischen Leben der Seele (Giegerich, 1994, 2001).

Literatur: Giegerich, W. (1999): Der Jungsche Begriff der Neurose; Gorgo (1978 ff.): Zeitschrift für archetypische Psychologie und bildhaftes Denken; Hillman, J. (1975): Re-Visioning Psychology; Hillman, J. (1983 b): Archetypal Psychology: A Brief Account; Spring (1970 ff.): A Journal of Archetype und Culture.

Autor: I. Ruf