Coniunctio/Mysterium Coniunctionis
Keyword: Coniunctio, Mysterium Coniunctionis
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Definition: Coniunctio, Mysterium Coniunctionis (lat.: Vereinigung, das Geheimnis der Gegensatzvereinigung) bezeichnet ein Bedürfnis und einen Prozess, Getrenntes, voneinander Unterschiedenes – primär das Männliche und das Weibliche (> Männliches und Weibliches Prinzip) – miteinander zu vereinigen. Der Begriff, der in der Sprache des > Mythos wie der > Mystik seinen festen Platz hat und die gottmenschliche Einheit (unio mystica) symbolisiert, hat in der > Alchemie einen spezifischen Ausdruck gefunden.
Information: In der Alchemie geht es darum, auf der materiellen Ebene Prozesse der > Analyse und > Synthese („solve et coagula“ – löse und verbinde) durchzuführen, um das gesuchte hochwertige Produkt, z. B. Gold oder das Lebenselixier als „Quintessenz“ der Vereinigung der, zuvor getrennten, Elemente zu gewinnen. In jedem Fall handelt sich um die Schaffung einer neuen Qualität. Diese kann sich z. B. in der Gestalt des Homunkulus bzw. des Kindes, vor allem aber in der des „Steins der Weisen“ (> Stein der Weisen) manifestieren.
Indem C. G. Jung die Bildsprache der Alchemie für das Verstehen innerseelischer Wandlungs- und Werde-Vorgänge fruchtbar machte, verweist er auf den archetypischen Charakter, der mit der Gegensatzvereinigung verbunden ist. Diese stellt sich in der schöpferischen Wechselbeziehung des Bewussten und Unbewussten (> Unbewusstes) dar. Und nachdem Gegensätze (> Gegensatz > Polarität) aus dem seelischen Leben nicht wegzudenken sind, tritt das Motiv wiederholt in Träumen auf, bei denen die Zusammenfügung des Lichten und des Dunklen thematisiert ist. Auffällig ist die sich, hierbei ergebende, starke Faszinationskraft. Jung, der in der Coniunctio den Archetypus des psychischen Geschehens erblickte, der entweder positiv oder negativ gepolt sein kann, widersprach S. Freud, wenn dieser für die „Verdrängung des Gegensatzes“ eintrat, weil dadurch die Ausdehnung eines Konflikts, z. B. der Neurose, bewirkt werde. Deshalb konfrontiere die Therapie die Gegensätze und ziele so auf eine dauernde Vereinigung derselben hin. Dies ergebe sich bereits aufgrund der seelischen Beschaffenheit. “Die Struktur der Psyche ist in der Tat dermaßen kontradiktorisch oder kontrapunktisch, dass es wohl keine psychologische Feststellung oder keinen allgemeinen Satz gibt, zu dem man nicht sofort auch das Gegenteil behaupten müsste“ (Jung, GW 16, §177 f).
Literatur: Edinger, E. (1985): Der Weg der Seele; Schlegel, L. (1977): Die Psychodynamik der Polarität in der Psychologie von Jung; Wehr, G. (1986): Heilige Hochzeit.
Autor: G. Wehr