Jugendlichenpsychotherapie, analytische: Aspekte der Analytischen Psychologie

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Keyword: Jugendlichenpsychotherapie, analytische: Aspekte der Analytischen Psychologie

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Definition: C. G. Jung ist der Meinung gewesen, die > Psychoanalyse sei die, für die erste Lebenshälfte, angemessene und ausreichende Behandlung von psychischen Störungen, weil die erste Lebenshälfte (> Adoleszenz > Kindheit > Pubertät) in hohem Maße eine > Ich-Psychologie und Therapie des Bewusstseins (> Bewusstsein) fordere. Die > Anpassung an die gesellschaftlichen (> Gesellschaft > Kollektiv > Persona), beruflichen und körperlich-sexuellen (> Sexualität) und familiären (> Familie) Gegebenheiten verlange allgemein die Wendung der psychischen Aufmerksamkeit und > Energie auf die Außenwelt, nicht eine > Introversion oder > Regression der > Libido.

M. Fordham und E. Neumann ist zu verdanken, dass in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) dennoch schon in den 40 er Jahren Ansätze entwickelt werden, die eine entwicklungspsychologische Orientierung und auch Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche erarbeiten. Fordham bezieht dabei sehr stark die theoretischen Ansätze von M. Klein (> Kleinianische Psychoanalyse) ein, während Neumann diese eher ablehnt und in vielem einen klassischen, an Jungs Auffassungen orientierten Standpunkt über die Entwicklung des Ich-Bewusstseins (> Ich/Ich-Bewusstsein) aus dem > Selbst und dem Kollektiv (> Kollektivpsyche) heraus vertritt.

Information: Fordham und die englische Schule stellen weniger die Arbeit mit dem Unbewussten (> Unbewusstes) und seinen Bildern in den Vordergrund, sondern eher die Arbeit mit der > Beziehung (> Objektbeziehungstheorie) und der Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik (> Übertragung/Gegenübertragung). G. Bovensiepen (1993) ist der Auffassung, dass die Arbeitsweise von Fordham eher für die Arbeit mit Jugendlichen geeignet ist, ohne allerdings die andere Auffassung zu verwerfen.

Insgesamt erscheinen die therapeutische Haltung und die Modelle der Analytischen Psychologie für die Arbeit mit Jugendlichen sehr geeignet, insbesondere die Konzepte des > Selbst als Ganzheits-Selbst und Organisator des psychischen Prozesses, der kompensatorischen Funktion des Unbewussten, (> Kompensation), der > Enantiodromie und der > Finalität. Die > Analytische Psychologie ist eine Wandlungspsychologie (> Funktion, transzendente; > Wandlung), und das Verständnis archetypischer Bilder in der Psyche, wie auch ihrer jeweiligen Gestaltungen in der Gegenwart und Lebenswelt von Adoleszenten, ermöglicht eine genügend nahe und genügend distanzierte Betrachtung und Akzeptanz psychischer Vorgänge.

Die offene Grundhaltung und das flexible > Setting der Analytischen Psychologie (> Beziehung, therapeutische) und das Verständnis und Interesse des Therapeuten für das Archetypische (> Archetyp) in seinen jeweiligen dunklen, manchmal bunten und chaotischen (> Chaos > Psychose) Formen, denen die Jugendliche auch in ihrer Welt, in ihren Filmen, in ihrer Musik, in Computerspielen, in Fantasien (> Fantasie) und Träumen (> Traum) begegnen, bietet eine optimale Basis für den therapeutischen Prozess mit Jugendlichen. Über weite Phasen geht es für Adoleszente um Zerstörung, Tod und Wiedergeburt (> Suizid). Das kann sich auch ganz konkret so auswirken, dass Jugendliche dazu neigen, den therapeutischen Prozess als solchen zerstören zu wollen. Sehr hilfreich können in solchen Situationen dann beispielsweise die mythologischen Amplifikationen Neumanns zur Ich- und Bewusstseinsentwicklung (> Bewusstseinsentwicklung, Phasen der) sein, sowie die alchemistischen Prozess-Bilder (> Alchemie > Individuationsprozess), in denen sich immer wieder die Spannung und Versöhnung der Polaritäten zwischen > Symbiose und > Autonomie Nähe und Distanz, Jung und Alt, Frau und Mann, Leben und Tod, Hell und Dunkel usw. symbolisiert. Der angstfreie, vertrauensvolle und kreative Umgang mit den energiegeladenen, oft bedrohlich erscheinenden archetypischen Bildern lässt die Patienten häufig auch erleben, dass es hilfreiche und heilsame Möglichkeiten des Umgangs mit der eigenen > Psyche und den eigenen Konflikten (> Konflikt) gibt (> Container/Contained).

Literatur: Bovensiepen, G. (1993): Analytische Psychotherapie mit Jugendlichen; Eschenbach, U. (Hrsg.) (1978): Das Symbol im therapeutischen Prozess bei Kindern und Jugendlichen; Fordham, M. (1974): Das Kind als Individuum; Franz, M. -L. von (1987): Der ewige Jüngling; Neumann, E. (1949): Ursprungsgeschichte des Bewusstseins.

Autor: A. Müller