Primärprozess/Sekundärprozess
Keyword: Primärprozess /Sekundärprozess
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Definition: Mit den Begriffen Primärprozess (lat. primarius: Erster, Elementar, anfangs; lat. Prozedere: verlaufen) und Sekundärprozess (lat. secundarius: der Reihe nach, der Zweite, der Folgende) werden in der > Psychoanalyse die Funktionsweisen des psychischen "Apparates" beschrieben. Der Primärprozess kennzeichnet das unbewusste System: Die mit ihm verbundenen psychischen Vorgängen sind relativ unstrukturiert, archaisch, assoziativ, paradox, kennen keine Einschränkung oder Verneinung und gehorchen dem Lustprinzip (> Es). die > Libido kann leicht von einer Vorstellung zur anderen übergehen. Der Sekundärprozess kennzeichnet das vorbewusst-bewusste System: Die psychischen Vorgänge sind mehr am logisch-kausalen, strukturierten Denken und der Wahrnehmung der Realität (> Realitätsprüfung) orientiert. Die Energie ist an stabil besetzte Objekte und Vorstellungen (> Repräsentanz) gebunden, bevor sie in einer vom > Ich kontrollierten Form abfließt. Da die Befriedigung aufgeschoben wird, können psychische Erfahrungen gemacht und verschiedene Befriedigungswege erprobt werden.
Information: Beim Sekundärprozess ist es die >Denkfunktion, die immer wieder gesucht wird und über die emotionale Besetzung dominiert: "Das Denken muss sich für die Verbindungswege zwischen den Vorstellungen interessieren, ohne sich durch die Intensitäten derselben beirren zu lassen." (Freud, GW 2/3, S. 607-608). Auf diese Weise erfüllt der Sekundärprozess eine regulierende Funktion, die erst durch die Ichbildung ermöglicht wird, deren Hauptaufgabe darin besteht, den Primärvorgang zu hemmen. Zum Sekundärprozess gehören Funktionen wie das wache Denken, die Aufmerksamkeit, die Entscheidung, das Urteilsvermögen, die kontrollierte Handlung.
Verwandte, jedoch nicht identische Begriffe finden sich bei C. G. Jung, der zwischen gerichtetem Denken und Fantasiedenken unterscheidet. Jung, der die schöpferische Energie des Unbewussten von Anfang seiner Theoriebildung an in den Mittelpunkt stellt, erkennt sehr früh, dass im Fantasiedenken, das in vielem dem Primärprozess ähnelt, nicht nur primitive, libidinös-triebhafte (> Instinkt > Libido), ungesteuerte, chaotische (> Chaos) und unstrukturierte, auf Triebbefriedigung orientierte, sondern zwar unstrukturierte, aber schöpferisch kreative Energien (> Dichtung > Finalität > Kunst > Kreativität, Phasen der > Schöpferisches) liegen können. Auch in der Psychoanalyse wird inzwischen betont, dass beide psychischen Vorgänge, der primär- und der sekundärprozesshafte für ein gut funktionierendes Ich von großer Wichtigkeit sind, und dass um eine Balance beider geht, nicht um die Hemmung des einen zugunsten des anderen.
Literatur:
Autor: H. Obleser