Schatten, persönlicher
Keyword: Schatten, persönlicher
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Definition: Der persönliche > Schatten entsteht notwendig mit der Entwicklung der > Persönlichkeit , da diese immer auch mit Abwehrmechanismen gegenüber den weniger akzeptierenden Anteilen verbunden ist. Der persöliche Schatten steht im Persönlichkeitsmodell der Analytischen Psychologie in polarer Spannung zur der nach außen gerichteten Persona. Alle Eigenschaften, Eigenarten, Einstellungen, Haltungen, die sich nicht in der Persona zeigen dürfen, werden in den Schatten der Persönlichkeit verlagert, bilden die andere, die nicht gezeigte oder gar ganz verdrängte dunkle Seite. Dort wird aufgenommen und bewahrt, was für das Ich und die von ihm zu leistende Anpassung an die soziale Situation und das soziale Umfeld (> Kollektiv) als minderwertig, lästig, unbequem und aktuell störend erscheint. Man könnte auch sagen, diese ungeliebten oder abgewehrten Aspekte der Person ziehen sich emotional aufgeladen ins Dunkel des > Unbewussten zurück. Sie kollidieren mit dem Ideal (> Ideal-Ich > Idealisierung > Selbstbild), das der Einzelne für sich errichtet hat und gegenüber anderen darstellen will oder muss.
Information: Aus der > Abwehr des Schattens kann sich ein unheilvolles psychodynamisches Geschehen aufschaukeln. Gerade durch ihre "Verteufelung" - z. B. im Rahmen einer religiösen Orientierung (> Neurosen, ekklesiogene) können durchschnittliche, allgemeinmenschliche und relativ harmlose Seiten der Persönlichkeit wie blutrünstige Monster erscheinen. Und je mehr solche blutrünstigen Monster in der eigenen Seele befürchtet werden, desto größer werden > Angst, Anspannung und Abwehr, was wiederum dazu führt, eine noch "positivere", "idealere", "edlere" Persona aufbauen zu müssen. Dann ist das > Böse oft gar nicht das, was an eigenen negativen Seiten verteufelt wird, sondern es ist die Gewalttätigkeit, mit der man sich selbst demütigt, quält und verletzt, indem die eigenen Schattenseiten abgewertet und verachtet werden.
"Dass ich den Bettler bewirte, dass ich dem Beleidiger vergebe, dass ich den Feind sogar liebe im Namen Christi, ist unzweifelhaft hohe Tugend. Was ich dem Geringsten unter meinen Brüdern tue, das habe ich Christo getan. Wenn ich nun aber entdecken sollte, dass der Geringste von allen, der Ärmste aller Bettler, der Frechste aller Beleidiger, ja der Feind selber in mir ist, ja dass ich selber des Almosens meiner Güte bedarf, dass ich mir selber der zu liebende Feind bin, was dann? Dann dreht sich in der Regel die ganze christliche Wahrheit um, dann gibt es keine Liebe und Geduld mehr, dann sagen wir zum Bruder in uns "Raka" (aramäisch: Dummkopf, Taugenichst, Anm. d. Verf.), dann verurteilen wir und wüten gegen uns selbst. Nach außen verbergen wir es, wir leugnen es ab, diesem Geringsten in uns je begegnet zu sein, und sollte Gott selber es sein, der in solch verächtlicher Gestalt an uns herantritt, so hätten wir ihn tausendmal verleugnet, noch ehe überhaupt ein Hahn gekräht hätte." (Jung, GW 11, § 520)
Der Schatten bezieht seine Macht und Destruktivität gerade dadurch, dass er aus dem Bewusstsein ausgeschlossen wird. Schließlich wendet er sich gegen die eigene Person und fällt sie "von hinten" an. Das klassische märchenhafte (> Märchen) und literarische Motiv hierfür ist die nächtliche Verwandlung eines tagsüber ganz normal wirkenden Menschen in ein fremdes Wesen, ein bedrohliches Tier oder ein Ungeheuer: Dr. Jekyll und Mr. Hyde; Faust und Mephisto, Werwolf; Dracula. Der lebenslange Kampf mancher "Heiliger" mit ihren teuflischen Versuchungen, ihre Selbstgeißelung und masochistische Selbstabwertung, die Qual des Asketentums, die Hexenverfolgung (> Hexe) und die Teufelsaustreibungen der Inquisition: alles dies sind Facetten eines tiefen individuellen oder kollektiven Konfliktes, einer Entzweiung (> Dissoziation) mit der Ganzheit der menschlichen Natur.
Keine
Literatur: Franz, M. -L. v. (1985 b): Der Schatten und das Böse im Märchen; Kast, V. (2001): Der Schatten in uns; Schnocks, D. (1998): Der Schatten unserer Seele; Zweig, C., Abrams, J. (Hrsg.) (1993]]): Die Schattenseite der Seele.
Autor: D. Schnocks