Vater, Großer
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Definition: Dieser Begriff umfasst die transzendente Seite des väterlichen Archetyps, die kulturell häufig im Bild eines großen väterlichen Gottes (> Gottesbild > Mythos > Religion) gefasst und verehrt wird. Diesen Gott-Gestalten - es gibt sie oft jeweils nur in der Einzahl, anders als die Großen Mütter (> Mutter, Große) - werden verschiedene Aspekte dessen zugeschrieben, was zum > Vaterarchetyp allgemein gehört: die Schöpferkraft, das Ernähren, die Gesetzgebung, die Macht über die Zukunft, das allumfassende Wissen, Strafe und Vergebung (vgl. das Vaterunser).
Nach dem Konzept E. Neumanns handelt es sich um diejenigen Aspekte des Archetyps, die vom realen Vater nicht erschöpfend vorgelebt werden (können). Das kleine Kind erlebt die Eltern als allmächtig, gottähnlich, und erst nach und nach werden diese (durch Erfahrung) normal menschlich (> Ent-Emotionalisierung > Personalisierung, sekundäre). Der Archetyp bleibt aber wirksam und wird gesucht. Zugleich geht es um etwas, das vor den Eltern schon da war, und zu dessen prä- und transpersonaler Präsenz ein Kontakt gesucht wird, um ein religiöses Bedürfnis (> Religion) zu erfüllen.
Information: Große Vatergötter sind in allen Kulturen zu finden: in der Steinzeitkultur der australischen Aborigenes ist es Bahane, der unabhängig von Clan- und Totemzugehörigkeit überall verehrt wird. Im alten Babylon ist es Apsu, der sich durch die lauten Kinder gestört fühlt und die Sintflut verursacht (die dann allerdings seine Frau Tiamat, der Mutterdrache, in die Tat umsetzt]]). Bei den Indianern Nordamerikas ist es Manitou, bei den Griechen Zeus, bei den Römern Jupiter.
Das Gottesbild in seiner konkreten Ausprägung enthält Erfahrungen, die projiziert werden. In alten Kulturen ist die existenzielle Unsicherheit durch teilweise schmerzhafte, ängstigende Aspekte der Initiationsrituale (> Initiation (vgl. van Gennep, 1981, Eliade, 1997) mit dem Gottesbild verknüpft. Das Gottesbild kann auch von einem positiven oder negativen > Vaterkomplex geprägt sein. Dem personifizierten Gottesbild der patriarchalen Götter ist Ambivalenz immanent (> Böses > Schatten, archetypischer > Schatten des Gottesbildes).
C. G. Jung nimmt eine Entwicklung des väterlichen Gottesbildes an, das sich in der jüdisch-christlichen Religion zunehmend vom jähzornigen Natur- und Wettergott zur Beziehungsfähigkeit entwickelt habe. Die Überlegungen, dass sich im Leiden Hiobs (vgl. Jung, GW 11) ein Schritt göttlicher Bewusstwerdung vollziehe, haben theologischen Widerspruch gefunden, sind aber wegweisend geworden für das Konzept der > Individuation und des > Selbst (vgl. Edinger, 1972, 1984]]).
Die archetypische Suche nach einer Projektionsfläche für Inhalte des Großen Vaters hat in jüngerer, unreligiöser Zeit zu folgenschweren Idealisierungen geführt und wird politisch bis heute missbraucht.
Diskussion : Keine
Literatur: Monick, E. (1990): Die Wurzeln der Männlichkeit; Rasche, J. (1988): Prometheus. Der Kampf zwischen Sohn und Vater; Zoja, L. (2002): Das Verschwinden der Väter.
Autor: J. Rasche