Leidenschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Leidenschaft

Links: > Emotion > Energie > Eros-Prinzip > Freude > Interesse > Libido

Definition: Das Wort Leidenschaft (germ. leiten: gehen machen) kennt die deutsche Sprache erst seit dem 17. Jahrhundert als Übersetzung für das französische Wort "Passion", das Leidenschaft, Liebe, Begeisterung, Glut, Wärme, glühender Wunsch, Sehnsucht, Leiden, Sucht usw. heißen kann. Leidenschaft wird ambivalent beurteilt: Als zwingende Vorherrschaft der Emotionen verstanden, wird die Leidenschaft als problematisch gesehen und im Gegensatz zur Vernunft als gefährlich beurteilt. Andererseits aber ist man sich auch klar darüber, dass nichts Großes im Leben ohne Leidenschaft vollbracht wird.

Information: Die Leidenschaft ist kein Thema der Psychologie, sondern der Literatur. Allenfalls wird sie noch in die Nähe der Sucht gerückt. Leidenschaft ist aber nicht einfach süchtiges Verhalten. Betrachtet man das konkrete menschliche Leben, dann ist ein Leben ohne Leidenschaft seltsam leer oder ruft nach Pseudoleidenschaften - nach leidenschaftlichem Kitzel oder dem "Kick" etwa, der immer mehr werden soll. Insgeheim ist sie also, zumindest in der alltäglichen Existenz, durchaus gesucht. Allerdings hätten die Menschen sie gern in einer mittleren Intensität, in der sie aber selten zu haben ist. Leidenschaft ist ein Maß für die Intensität unseres Strebens. In ihr zentrieren sich die Kräfte: In der Leidenschaft ist man auf ein Ziel bezogen, dem sich alle anderen Ziele unterzuordnen haben. Leidenschaft setzt aber voraus, dass einen etwas "packt", ergreift, erfasst, das man leidenschaftlich begehren kann, worauf man sich voll einlassen will und muss, und das entweder zu Sinnerfüllung im Leben führt, auch zur Ausweitung der Persönlichkeit - oder zu deren Untergang, zur Qual. Die Leidenschaft intendiert einen Prozess der Interaktion zwischen dem Selbst und der Welt; von der Leidenschaft ergriffen denkt man, man sei gezogen von außen, vom Ziel einer Sehnsucht, und dennoch gestaltet man in tiefster Weise das eigene Selbst. Leidenschaft ist eine Form der intensivsten Hingabe an das Du, an die Welt und an das eigene Selbst. Die Leidenschaften des Menschen können nicht einfach aus Defiziten erklärt werden. Bei der Liebesleidenschaft etwa kommt aus der Welt ein Mensch entgegen, der es ermöglicht, die Anima (> Anima/Animus: Klassische Auffassung) oder den Animus, das Bild der faszinierenden Fremden und des faszinierenden Fremden im Du zu erleben und gleichzeitig auch in der eigenen Psyche zu erfahren. Diese inneren Bilder des Fremden und des doch so sehr Vertrauten haben tief gehende numinose (> Numinosum) und faszinierende Dimensionen, die auch die starke Ahnung einer > Vision vermitteln können. Leidenschaft ist in jedem Menschen angelegt und entspricht eigentlich dem Hunger, sich selbst zu erhalten, aber auch über sich selbst hinauszugehen, sich leidenschaftlich in dieser Welt zu verwirklichen, dem Leben über die bloße Existenz hinaus einen > Sinn zu geben, das eigene > Selbst zu entwickeln; so bekommt die Leidenschaft einen zentralen Stellenwert im menschlichen Leben und es wird dadurch auch verständlich, weshalb Menschen so gierig werden, wenn dieser Hunger nicht gestillt wird. Der Hunger lässt eine Zielvorstellung, eine Sehnsucht, eine Vision entstehen und ist darauf ansprechbar. Die Hauptaffekte, die, in den Leidenschaften generell gesehen, zum Ausdruck kommen, sind > Interesse, Freude und Inspiration. Dass die Welt, das Leben, das Du so sehr ansprechen und packen kann, ist nur möglich, wenn sie unser Interesse weckt und dieses Interesse auch über lange Zeit aufrechterhalten kann. Das löst Freude aus und inspiriert. Wo Freude ist, können umgekehrt auch leicht Interessen erwachsen, und damit Leidenschaften. Mit speziellen Leidenschaften können weitere, auch negativ getönte Affekte verbunden sein.

keine

Literatur: Kutter, P. (1989): Leidenschaften.; Kast, V. (1991): Freude, Inspiration, Hoffnung; Kast, V. (2001): Vom Interesse und dem Sinn der Langeweile.

Autor: V. Kast