Psyche: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Psyche

Links: > Seele > Selbst > Objektiv-Psychisches > Psychifikation > Wirklichkeit, psychische

Definition: Psyche (griech. psyche: Hauch, Atem, Leben, Seele), umgangssprachlich synonym mit > Seele (vermutlich altgerm.: die zum See gehörende - die Seelen der Ungeborenen und Toten leben nach altgermanischer Vorstellung im Wasser) ist Gegenstand der wissenschaftlichen Psychologie wie auch der Mystik, der Religionen und Philosophien der ganzen Welt. Beide Begriffe sind im Laufe der Menschheitsgeschichte "ideengeschichtlich" unterschiedlich definiert. So existiert die noch heute geläufige Vorstellung einer im Menschen inkorporierten Psyche, die den Körper im Augenblick des Todes verlässt, allegorisch (> Allegorie) etwa als Lufthauch oder geflügeltes Wesen. Die Psyche - so die Vorstellung bei den Griechen zur Zeit Homers - entsteht erst im Augenblick des Todes, ist nie ein Teil des lebenden Menschen gewesen, gleicht dem verstorbenen Menschen, ist aber sozusagen ein entmaterialisiertes Nachbild seines Körpers, ein Schatten. Die Lebensseele des beseelten Leibes trägt bei Homer den Namen thymós: Leben. Sie erhält und trägt das menschliche Leben, seine seelischen und geistigen Funktionen und verlässt den Menschen im Augenblick des Todes. Bei den sog. Naturvölkern haben Ethnologen vergleichbare Vorstellungen gefunden. Es wird häufig zwischen den Vorstellungen von der Seele des lebenden Menschen, die zum Leben gehört, und der schattenhaften Seele, die Homer Psyche nennt, unterschieden (vgl. Otto, 1976, S. 37). Die Trennung zwischen Totengeist, bzw. Totenseele und Lebensseele ist auch bei den Römern und Semiten nachweisbar. Erst in späterer Zeit wird der > Dualismus aufgegeben, Totengeist und Lebensseele fallen in eins zusammen und erhalten dann bei den späteren Griechen in dieser zusammengefassten Bedeutung den Namen Psyche.

Information: Möglicherweise steht diese Entwicklung unter dem Einfluss des Unsterblichkeitsglaubens, sowie mystischer Ideen des Beseligtseins und Seligwerdens, die aus dem Osten stammen. (vgl. Otto, 1976) Die Psyche ist in den entsprechenden philosophischen und religiösen Vorstellungen göttlicher Natur, lebt als Fremdling im irdischen Körper, aus dem sie erlöst werden kann, um auf ewig in die höchste Seligkeit einzugehen. In dieser neuen Bedeutung ermöglicht die Psyche die persönliche Unsterblichkeit der Menschen.

Nicht nur die Psyche als metaphysisches Konstrukt, auch die psychischen Phänomene beschäftigen die Menschen schon immer. Das entscheidende Kennzeichen der modernen akademischen Psychologie im Unterschied zur Philosophie und Religion ist, dass sie sich aller Letzt-Erklärungen des Wesens der Psyche enthält. Das schließt den Verzicht auf metaphysische Aussagen ein (> Metaphysik). Zwar ist nach diesem methodischen Konzept sicheres, gewisses Wissen vom "wahren Wesen der Psyche" nicht möglich. Trotzdem weiß die Psychologie eine ganze Menge über Struktur und Arbeitsweise der Psyche: Die Psyche ist dem Menschen allerdings nach den Ergebnissen der empirischen Forschung nicht ab ovo gegeben, sondern entwickelt sich vornehmlich nachgeburtlich in einem sekundären Psychifikationsprozess (> Psychifikation) aus einem protopsychischen, vornehmlich biologisch gesteuerten Zustand heraus, bei dem die eigentliche Psyche sich noch als Potenzialität in der Latenz befindet (> Selbst). Dieser Zustand vornehmlich biologischer Steuerung, bei der das Psychische als Innenseite des Biologischen (> Biologie > Einheitswirklichkeit > Instinkt > Unbewusstes, psychoides) erscheint, wird erst später durch ein zentral repräsentiertes Psychisches ersetzt, durch ein zentrales lebensteuerndes Organ, die Psyche.

C. G. Jung hat zwischen Seele und Psyche unterschieden. Während er unter Psyche "die Gesamtheit aller psychischen Phänomene, der bewussten sowohl wie der unbewussten" versteht, bezeichnet er als Seele "einen bestimmten abgegrenzten Funktionskomplex" der Gesamtpsyche, der als innere Einstellung, bzw. als Beziehung zur inneren Persönlichkeit, womit er Anima und Animus meint, fungiert. (vgl. Jung, GW 6, § 877) Der Seele stellt er als nach außen gerichtet die > Persona gegenüber. (> > Anima/Animus: Klassische Auffassung). Diese Definition Jungs ist in der Analytischen Psychologie allerdings heute wenig gebräuchlich. Meist wird Seele im gleichen Sinne wie Psyche gebraucht.

Literatur: Otto, W. F. (1976): Die Manen oder von den Urformen des Totenglaubens; Schulz-Klein, H. (2000]]): Psyche und Psychifikation.

Autor: H. Schulz-Klein