Weltsicht, archaische: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword:Weltsicht, archaische

Links: > Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Bewusstseinsevolution > Magie > Mythos > Ritual > Unbewusstes

Definition: Als archaische Weltsicht wird ein Grundmuster des Selbst-und Weltverstehens bezeichnet, das allen früheren Kulturen - von den steinzeitlichen bis und mit der christlich-abendländischen - zugrunde lag. Ihr Charakteristikum ist die Unterscheidung zwischen zwei Bereichen der Wirklichkeit: einem sichtbaren (diesseitigen, natürlichen, physischen) und einem unsichtbaren (jenseitigen, übernatürlichen, metaphysischen). Das Jenseits stellte man sich von (normalerweise]]) unsichtbaren Wesen bewohnt vor: von autochthonen (Göttern und Zwischenwesen) sowie von weiterlebenden Toten. Von letzteren unterschied man zwei Kategorien: die gewöhnlichen, und die wachsenden, d. h. die, welche als Menschen dem Wertekanon der betreffenden Kultur in besonderer Weise entsprochen haben. Während die gewöhnlichen Toten bald der Vergessenheit anheimfielen, näherten sich die wachsenden mehr und mehr den autochthon metaphysischen Wesen an.

Information: Drei Fähigkeiten schrieb der archaische Mensch den metaphysischen Wesen zu: Die Fähigkeit, durch bloßes Denken und Wollen auf das Diesseits einzuwirken, die Fähigkeit, sich dem Menschen mitzuteilen (zu offenbaren) und die Fähigkeit, sich zu inkarnieren. Offenbaren konnten sich jenseitige Wesen auf dreierlei Weise: in der Natur, im Geschick eines Menschen oder Volkes sowie im Gesicht, d. h. in Träumen und Visionen. Aus archaischer Weltsicht sind die Religionen bzw. geistlichen Gemeinschaften hervorgegangen: soziokulturelle Gebilde mit bestimmten Vorstellungen über das Jenseits, bestimmten Verhaltensmustern (Magie und Ritus) sowie einem bestimmten, auf Partizipationserleben beruhendem Selbstverständnis (z. B. katholische Kirche als mystischer Leib Christi). > Magie und > Ritual lag die Vorstellung zugrunde, dass auch bestimmte Menschen akausale Wirkmacht besitzen. Bei magischen Praktiken "bewirkte" der Mensch Veränderungen der Dinge aus eigener Macht, indem er ihnen vorsagte und vormachte, wie sie sein sollen.

Beim Ritus hingegen stellte man sich vor, der Zelebrant (Priester) bewirke mithilfe jenseitiger Wesen. Dabei wurden Szenen des Mythos - meistens nur zeichenhaft, jedoch auf genau vorgeschriebene Weise - dramatisiert. Im Unterschied zum heutigen Vollzug von Ritualen glaubte man jedoch, durch Vollzug des Ritus werde eine ontologische Veränderung bewirkt (z. B. im Eucharistie-Ritus von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi). Alles Wissen über das Jenseits schrieb man einem Offenbarungsvorgang zu. Aus der Reflexion über Offenbartes gingen die Theologien hervor. Durch die Entdeckung des Unbewussten wurde die archaische Weltsicht überwunden. Nun kann gesehen werden, dass sie - als in sich konsistentes logisches System - aus dem noch konkretistischen (noch nicht bildsprachlichen) - Verständnis der Gestaltungen des Unbewussten hervorgegangen war: daraus dass man damals noch nicht durchschauen konnte, dass bei der > Vision - der Hauptquelle des Glaubensguts aller Religionen - der spontane Eindruck trügt.

keine

Literatur:Obrist, W. (1988): Neues Bewusstsein und Religiosität; Obrist, W. (1999): Die Natur - Quelle von Ethik und Sinn.

Autor: W. Obrist