Bewusstsein, matriarchales: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Bewusstsein, matriarchales
Links: > Anima/Animus: Klassische Auffassung > Bewusstsein, patriarchales > Bewusstsein, schöpferisches > Bios-Prinzip > Eros-Prinzip > Feminismus > Matriarchat > Männliches und Weibliches Prinzip > Mutterarchetyp > Mutterkomplex > Mutter, Große > Weise, Alte
Definition: Den Begriff des matriarchalen Bewusstseins (lat. mater: Mutter und griech. archos, archein: Gewalt, Herrschaft, Recht) hat E. Neumann in die > Analytische Psychologie eingeführt. Für ihn steht dabei nicht so sehr die Frage soziologischer und kultureller Existenz von mutterrechtlichen Gesellschaften als solche im Mittelpunkt, sondern die Überlegung, dass es eine matriarchale, d. h. eine dem weiblichen Prinzip (> Männliches und Weibliches Prinzip) entsprechende Form des Bewusstseins gibt, welches in einem polaren Ergänzungsverhältnis zu dem von Neumann so benannten patriarchalen Bewusstsein (> Bewusstsein, patriarchales) steht. Um Neumanns Aussagen über diese beiden Bewusstseinseinstellungen in ihrer Bedeutung richtig zu erfassen, ist es wichtig, dass er diese Begriffe als symbolische Größen versteht und sie nicht konkret auf Mann und Frau und deren, spezifisch ausgeprägte, Geschlechtsmerkmale bezieht.
Information: C. G. Jung setzt das Unbewusste (> Unbewusstes) häufig symbolisch in eine Beziehung zum Weiblichen, Mütterlichen, der Natur, dem Wasser, der Materie, der Erde, dem Dunkel, dem Mond (> Bios-Prinzip) und zum > Eros-Prinzip; das Bewusstsein hingegen zum Männlichen und Väterlichen, dem Himmel, der Sonne und dem Licht, dem Geist und > Logos-Prinzip. Gleichzeitig geht Jung von einer psychologischen Doppelgeschlechtlichkeit von Mann und Frau aus (> Anima/Animus: Klassische Auffassung). E. Neumann greift diese Gedanken auf, vertieft und differenziert sie. Er beschreibt ein patriarchales Bewusstsein, das in unserer westlich-abendländischen Entwicklung dominiert und setzt diesem ein matriarchales Bewusstsein entgegen, das er auch Mondbewusstsein, Mondgeist oder weiblicher Geist nennt, weil er den Mond als das charakteristische Symbol dieses Bewusstseins sieht.
Um die Eigenart des matriarchalen Bewusstseins zu umschreiben, zieht Neumann u. a. Parallelen zu den zyklischen Wandlungsvorgängen in der Natur, zum Wachsen, Werden und Vergehen, zu Fruchtbarkeit, Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt, Leben und Tod. Im Vergleich zum mehr „solaren“, patriarchalen Bewusstsein, dessen schöpferische Fähigkeit eher im Unterscheiden, Einordnen, Systematisieren und Abstrahieren besteht, liegt das Schöpferische des „lunaren“, mütterlichen Bewusstseins im Halten, Tragen und Umkreisen, Hin- und Herbewegen, im Warten-Müssen und Abwarten-Können, bis die Zeit erfüllt ist, im Einwirken- und Aufgehen-Lassen. Die Erneuerung, Heilung oder Wandlung findet im Verborgenen, in der Dunkelheit, der Stille und im Schlaf statt. Das martriarchale Bewusstsein sei ein ganzheitlich wahrnehmendes „Herz“-Bewusstsein im Gegensatz zum analysierenden und unterscheidenden „Kopf“-Bewusstsein des patriarchalen Ichs und finde seinen Ausdruck in Riten, Tanz und Musik, Malerei und Dichtung, Mystik, Religion und Weisheit. Es bleibe bezogen zum Selbst und zum Unbewussten, zum Körperlichen und zur Natur, zum Emotionalen und Persönlichen. “Die Erkenntnisse der Mond-Seite sind, für unsere gegenwärtige Psyche jedenfalls, vom naturwissenschaftlichen Bewusstsein nicht erfassbar. Es sind Lebenserkenntnisse allgemeiner Art, die von jeher Gegenstand der Mysterien und der Religion waren, und die zum Bezirk der Weisheit, nicht zu dem der Wissenschaft gehören.“ (Neumann, 1975, S. 93)
Literatur: Neumann, E. (1949 a): Ursprungsgeschichte des Bewusstseins; Neumann, E. (1975): Zur Psychologie des Weiblichen; Neumann, E. (1959): Der schöpferische Mensch.
Autor: A. Müller