Anthroposophie
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Definition: Die Anthroposophie (griech. anthropos: Mensch; sophia: Weisheit) ist die von Rudolf Steiner (1861-1925]]) begründete, an der abendländischen Philosophie orientierte Geistesbewegung, die sich primär als einen Erkenntnisweg versteht, „der das Geistige im Menschenwesen mit dem Geistigen im Weltall verbinden will“, und von der seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts vielfältige kulturerneuernde Impulse ausgehen, z. B. auf den Gebieten der Pädagogik, Medizin, Heilmittelherstellung, Landwirtschaft.
Information: Steiner setzte dem modernen rationalistischen Weltbild seiner Zeit die Betonung der Gefühlswelt entgegen und lehrte die Dreigliedrigkeit von Geist, Seele und Leib, wobei er die Seele ihrerseits wiederum in Vorstellen, Fühlen und Wollen unterteilte. Steiners spätere Sinneslehre wirkte insbesondere auf die, an sinnlicher Erfahrung orientierte, Pädagogik der Waldorfschulen. Das spezifisch Menschliche sieht Steiner in der schöpferischen Freiheit des Menschen. Dabei vereinigt er Elemente des deutschen Idealismus mit dem Goethe“schen Weltbild.
Bedingt durch Steiners Aversion gegenüber der > Psychoanalyse S. Freuds, der er 1917 vorwarf, mit unzureichenden Erkenntnismitteln zu arbeiten, gestaltete sich auch sein Verhältnis zur Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) eher ambivalent, wenngleich eine Reihe anerkennender Äußerungen über C. G. Jung bekannt geworden sind. Zu bedenken ist hierbei, dass Steiner lediglich einige Frühwerke Jungs zur Kenntnis nehmen konnte, weshalb es verfehlt wäre, wollte man – wie es bisweilen immer noch geschieht – sein Urteil auf das zu seiner Zeit erst im Werden begriffene Gesamtwerk übertragen.
Jungs gelegentliche harsche Kritik an der Anthroposophie beruht ebenfalls kaum auf gründlicher Sachkenntnis. Sie resultiert nicht zuletzt aus Eindrücken und Beobachtungen, die er offensichtlich, bei näherer psychopathologischer Betrachtung, bei einem Teil der ihm bekannten Anhängerschaft wahrnahm. Er sah die Gefahr einer Indoktrination durch die Person eines verehrten Lehrers von der Statur Steiners, während er selbst auf das zu achten hatte, was aus dem Unbewussten, als aus den „Tiefen der Seele“ spricht, und seiner persönlichen, wie überpersönlich-archetypischen Bedeutung nach, ernst zu nehmen ist. Wenngleich Anthroposophie und > Analytische Psychologie, aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielbestimmung, methodisch getrennte Wege einschlagen, bestehen dennoch nicht unwesentliche Parallelen, wenn man z. B. dem anthroposophischen Initiationsweg vergleichsweise den tiefenpsychologischen > Individuationsprozess an die Seite stellt. Jung und Steiner haben, jeder auf ihre Weise, den Prozess als einen Erkenntnis- bzw. Heilungsweg selbst durchlaufen. Sie haben jeweils diesen Weg in seinen einzelnen Stationen geschildert und ihre Schülerschaft dazu angeleitet, ihn ebenfalls zu beschreiten. In beiden Fällen geht es nicht um die bloße Übernahme einer psychologischen bzw. philosophisch-spirituellen Lehre, die man lediglich zur Kenntnis zu nehmen hätte, sondern ganz besonders um einen Vorgang der Reifung und Selbst-Werdung.
Literatur: Wehr, G. (1998): C. G. Jung und Rudolf Steiner.
Autor: G. Wehr