Farben
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Definition: Unter der Perspektive der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) erscheint Farbe als ein archetypisches Phänomen, das sich der Wirksamkeit eines archetypischen Feldes (> Feld, psychisches) verdankt. Weil sie anschaulich erscheint, stellt Farbe nicht den hinter ihr stehenden unanschaulichen Archetypus selbst dar, sondern eine archetypische Erscheinung. Doch ist sie von dem jeweils hinter ihr stehenden und wirkenden Archetyp – als einer anthropologischen Konstante des Erlebens, Wahrnehmens und Abbildens – hervorgebracht.
Information: Neurophysiologisch vermittelt wird das Farberleben, sowohl durch Erfahrung am Kontext der Umwelt, z. T. durch optische Reize der Außenwelt auf das Auge und Gehirn, wie auch durch Erfahrung am Umfeld des eigenen Organismus, z. B. ausgelöst durch die Schwingungsfrequenz des Lichts und die entsprechende Wärmestrahlung. Beispielsweise wirkt es auf EEG, Atembewegungen, Herzpotenziale, Lidschlag, Blutdruck und palmare Hautleitfähigkeit ein. Treffen Farbreize auf das Gehirn, wecken sie psychische Reaktionsbereitschaften. Rot z. B. weckt und aktiviert die affektive Ansprechbarkeit. Jede Farbe ist Ausdruck und Repräsentanz eines bestimmten Affekts. Welche Reaktionsbereitschaften die einzelnen Farben auslösen und ausdrücken, ist in farbpsychologischen Untersuchungen experimentell erforscht und belegt worden. Ein anderer Weg, sich dem Farberleben und der Farbwirkung anzunähern, ist die Erfassung des Assoziationsfelds, das sich um die einzelnen Farben herum aufbaut. Dabei können typische kollektive und atypisch-individuelle Assoziationen (> Assoziation) zu den einzelnen Farben unterschieden werden, was sich diagnostisch auswirkt. Hinter dem Assoziationsfeld zu einer Farbe lässt sich jeweils das archetypische Feld erschließen, das sich in bestimmten Symbolen konzentriert – zu Blau etwa die Blaue Blume der Romantik – und ins Sichtbare verdichtet. Der Archetypus, dem sich die jeweilige Farbe verdankt, tritt am deutlichsten dort in Erscheinung, wo er sich in einer quasi archetypischen, oft göttlichen Gestalt, die ganz von der bestimmten Farbe erfüllt ist, zeigt. So kann in Hildegard von Bingens Vision eine personifizierte Gestalt der göttlichen Liebe Christi in flammendem Rot erscheinen. Da Rot aber, wie alle Farben doppelpolig, mit einem Plus- und einem Minuspol erfahrbar ist, psychologisch als > Libido in Gestalt von Liebes- und Aggressionsenergie, erscheint auch der römische Kriegsgott Mars in scharlachrotem Mantel. Zu jeder Farbe können zentrale archetypische Gestalten gefunden werden, in denen sich das Assoziationsfeld und Symbolfeld gleichsam auskristallisieren, zugleich aber auch die affektive Richtung und Reaktionsbereitschaft in die Farben, als Ausdruck und Repräsentanten von Affekten, weisen.
Jung selbst behandelt die Farben in Zusammenhang mit dem alchemistischen Prozess (Jung, GW 12, § 333f), in dessen vier Phasen sukzessive die vier Wandlungsfarben der sich verändernden Materie auftauchen: die Schwärzung (Melanosis), die Weißung (Leukosis), die Gelbung (Xenthosis) und schließlich die Rötung (Iosis) (> Alchemie > Alchemie, Phasen des Werkes). Seit dem 15. /16. Jahrhundert werden die Farben mehr und mehr auf drei reduziert, wobei die Gelbung (Xenthosis), auch Zitronenfarbe (Citrinitas) genannt, allmählich zurücktritt, oder vielmehr durch die Grünung (Viriditas) ersetzt wird. Die Schwärze ist als Anfangszustand der Materie entweder vorauszusetzen oder kommt durch die Zerteilung der Elemente mit dem Beginn des alchemistischen Prozesses zustande. Aus der Schwärzung führt die Abwaschung entweder direkt zur Weisung oder es leiten, wie bei der Wiederkehr der Seele zu einem erstorbenen Körper – die vielen gebrochenen Farben, auch Pfauenschwanz (Cauda pavonis) genannt, die sich zur Ganzheit vereinen, wieder zur weißen Farbe über, die alle Farben in sich enthält. Damit ist das erste Hauptziel des Prozesses, die Weißung (Leukosis oder auch Albedo genannt), erreicht, der Silber- oder Mondzustand, der aber noch bis zum Sonnenzustand gesteigert werden soll. Erst die Rötung stellt den Sonnenaufgang dar, wobei die Gelbung (Xenthosis oder Citrinitas) den Übergang zur Rötung bildet, durch Steigerung der Wärme und des Feuers auf den höchsten Grad. Im alchemistischen Prozess gelten das Weiße und das Rote zugleich symbolisch als Königin und König, die sich in der chymischen Hochzeit vereinigen können. Ferner beschreibt Jung, anhand der Bildserie einer Patientin, viele der vorkommenden Farben intuitiv, was er auch an zahlreichen anderen Stellen seines Werkes tut, eine spezielle Theorie der Farben entwickelt er jedoch nicht (vgl. Jung, GW 9/1, § 617 f). Gelegentlich versucht Jung die vier > Orientierungsfunktionen, nämlich Intuieren, Denken, Fühlen und Empfinden mit der Farbenvierheit von Gelb, Blau, Rot und Grün in Beziehung zu setzen. Dies wird aber schon von J. Jacobi (1969) relativiert. Systematischer und eng an der Empirie der psychotherapeutischen Arbeit mit Bildern aus dem Unbewussten von Patienten orientiert, wird die psychologische Bedeutung der Farben von J. Jacobi erarbeitet, der unmittelbaren Schülerin Jungs, und von S. Bach, spezialisiert auf die psychotherapeutische Arbeit mit körperlich schwer kranken Kindern. Das > Malen aus dem Unbewussten, beruht u. a. auf der Vorstellung, dass das Finden eigener, subjektiver Formen und Farben zugleich heißt, sich selbst zu finden. Als Träger der psychischen Emotionalität, die die Malenden bewegt, sind die, auf einem Bild erscheinenden, Farben für die diagnostische Beurteilung eminent wichtig. So drückt eine jede Farbe eine bestimmte, von den anderen unterschiedene Gefühlswirkung aus. (> Bildbetrachtung/ -deutung) Natürlich kommen die Farben meist miteinander und in charakteristischen Zuordnungen und Verteilungen vor, die eben den emotionalen, den seelischen und geistigen Ausdruckgehalt eines Bildes oder einer Situation ausmachen.
Literatur: Bach, S. (1996): Das Leben malt seine eigene Wahrheit; Itten, J. (1961): Kunst der Farbe; Jacobi, J. (1969): Vom Bilderreich der Seele; Riedel, I. (1983): Farben: In Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie; Riedel, I. (1988): Bilder in Religion, Kunst und Psychotherapie.
Autor: I. Riedel