Freude

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Keyword: Freude

Links: > Emotion > Ekstase > Eros-Prinzip > Flow > Glück > Kindarchetyp > Schönes

Definition: Die Freude ist eine Emotion im Bereich des archetypischen Feldes des Eros (> Eros-Prinzip), sowie des Göttlichen Kindes (> Kind, Göttliches), insbesondere in dem dazu gehörenden, Lebensfülle spendenden Mutterraum (> BIOS-Prinzip > Mutter, Große). Freude gehört zu den gehobenen Emotionen (> Emotion).

Information: Menschen freuen sich, wenn das Leben „mehr“ hergibt, als sie erwartet haben: etwas schöner ist, etwas besser gelungen ist, beglückender, sie mehr bekommen. Freude wird also ausgelöst, wenn sich das Leben unerwartet in seiner Fülle zeigt. Der Ausdruck der Freude ist mit Strahlendem, Leuchtenden, Lichtem, Hellem verbunden: Augen strahlen auf und Gesichter fangen an zu leuchten. Die Bewegungen der Freude sind Bewegungen in der Vertikalen: Die Mundwinkel gehen beim Lächeln nach oben, man könnte vor Freude Luftsprünge machen, „an die Decke springen“. In der Freude liegt ein Gegengewicht zur Erdenschwere und zur Dunkelheit. Freude suggeriert eine Verbundenheit mit etwas, das über einen hinausgeht. In der Freude steigt Wärme auf, eine körperlich erfahrbare, aber durchaus auch eine seelische Wärme, die offener, aber auch lebendiger werden lässt. Das Selbstgefühl ist dann ein Gefühl des selbstverständlichen Selbstvertrauens, das daraus resultiert, dass man im Moment der Freude sich selbst, die Innenwelt und die Mitwelt akzeptieren kann, wie sie ist, man kann sich bedeutsam fühlen, ohne dass man tatsächlich bedeutsam sein muss. Die Ich-Grenzen müssen nicht stur behauptet werden, man kann den Menschen nahe sein, möchte teilen, findet Mut, miteinander Lösungen zu erproben. Freude ist die emotionale Grundlage für Solidarität. In der Freude ist man weniger misstrauisch, dafür manchmal naiv. Man erwartet „nichts Böses“. Wird dann doch etwas erlebt, das als böse decodiert wird, fühlt man sich möglicherweise sehr verletzt. Man kann sich vor diesen Verletzungen schützen, indem man die Freude nicht mehr zulässt, dies ist aber ein teurer Schutz.

Freudenfantasien sind Fantasien des Gelingens und der Fülle, auf allen Ebenen des Lebens. Sie zeigen sich vor allem in der Vorfreude, bei der Lebenssituationen fantasiert werden, die voraussichtlich große Freude auslösen werden. Die Fantasie spielt auch eine bedeutende Rolle bei der Freudenerinnerung: Bewusst wahrgenommene Situationen der Freude werden in der Fantasie immer wieder wiedererlebt, nacherlebt und geben uns die Möglichkeit, uns mit unserer Fähigkeit zur Freude zu verbinden. In unserer Gesellschaft muss man meist begründen, warum man gehobene Emotionen hat. Menschen, die freudig oder heiter sind und im Gefolge dieser Emotionen vielleicht auch optimistisch, müssen für ihren Optimismus Gründe angeben. Wenn man pessimistisch gestimmt ist, dann muss dieses Lebensgefühl nicht erklärt werden, denn dass alles kaputt geht, das ist eigentlich klar. Wenn man Freude hat und zeigt, wird man leicht in die „naive Schublade“ geschoben. Man traut den gehobenen Gefühlen nicht: Das geht so weit, dass Freude als verdeckte Angst gesehen wird, als eine Form der Abwehr im Sinne einer > Reaktionsbildung. Man muss sich dann logischerweise der Frage stellen, welche Angst man gerade verdrängt. Eine solche Argumentation offenbart sehr viel Angst vor der Freude. Es ist natürlich vollkommen richtig, dass eine sehr laute Freude, die wenig vom Charakter der Freude hat, durchaus Angst zudecken kann. Das heißt aber nicht, dass jede Freude verdeckte Angst ist. Freude wird oft eher als Emotion der etwas weniger kritischen Menschen angesehen. Ein Grund dafür scheint folgender zu sein: Freude wird oft mit Lust gleichgesetzt, obwohl Unterschiede bestehen. S. Freud hat das Lustprinzip dem > Es zugeordnet, und insofern hat das Lustbetonte immer einen Beiklang von etwas Infantilem, nah verbunden mit Verantwortungslosigkeit, das bewusst gemacht werden müsste. Freuds kurze These zur Freude ist die, dass „Freude, Jubel, Triumph“ dann sich einstellen, wenn ein „großer, lange unterhaltener oder gewohnheitsmäßig hergestellter psychischer Aufwand endlich überflüssig wird“ (Freud, GW 10, S. 207 f.) Die Abwesenheit von Bedrückung wird von Freud schon als Freude bezeichnet. Freude spielt denn auch in seinen psychologischen Überlegungen keine große Rolle.

Bei C. G. Jung ist in der Archetypenlehre ein theoretisches Fundament für die Vielzahl der Emotionen gegeben. Sieht man aber genau hin, dann spielt auch bei ihm die Auseinandersetzung mit Angst oder Spannung eine sehr große Rolle, während die gehobenen Gefühle und Stimmungen, wenn sie überhaupt erwähnt werden, leicht in die extravertierte Ecke abgeschoben werden. Jung betont zwar an vielen Stellen, dass die beiden Haltungen keinen Wertunterschied implizieren. Im Laufe der Zeit hat sich aber unter den Menschen, die diese Begrifflichkeit gebrauchen, häufig die Auffassung herausgebildet, dass die Introvertierten (> Introversion) die ernsthaften und die Extravertierten (> Extraversion) die heiteren, die mit dem leichten Sinn, sind. Und aus dem leichten Sinn kann sehr schnell Leichtsinn werden. Wer aber möchte schon leichtsinnig sein oder als leichtsinnig gelten? So haben die gehobenen Emotionen auch im Umfeld der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) wieder keine Fürsprecher.

Freude ist die emotionale Grundlage für Solidarität. In der Freude ist man weniger misstrauisch, dafür manchmal naiv. Und genau das ist es, was man den Emotionen der Gehobenheit vorwirft: Haben sie einen nämlich ergriffen, so erhebt man sich über die Härte des Alltags; wird kritiklos, hört auf, die Abgründe zu sehen usw. Man wird unernst, springt über Gegensätze hinweg, lässt fünf auch einmal gerade sein, denkt nicht sehr nach, man ist einfach. Ein weiterer häufig vorgebrachter Vorwurf ist der, dass die Emotionen der Gehobenheit die Tendenz hätten, maßlos zu werden. Bei der Euphorie kann man das richtige Maß in der Tat durchaus verlieren. Man wächst dann über sich hinaus, lebt allenfalls auch über seine Verhältnisse. Auch die Emotionen der Bedrücktheit haben die Neigung, maßlos zu werden, doch das wird seltener kritisiert. Erlebt man etwa, wie eine Gruppe von Depressiven immer depressiver wird, dann könnte man auch hier von Maßlosigkeit sprechen. Alle diese Einwände sprechen letztlich nicht gegen die gehobenen Emotionen, sondern vielmehr gegen die Unbewusstheit, die auch im Umgang mit gehobenen Emotionen vorherrschen kann. Werden sie jedoch den gehobenen Emotionen als solchen angelastet, dann wird nicht ernst genommen, dass glückhaftes Erleben auch ein bewusster und schöpferischer Umschlagspunkt im Leben eines Menschen sein kann.

Es ist aus therapeutischen Prozessen vertraut, dass – wenn Angst oder Verzweiflung ausgehalten werden – am Grunde der Verzweiflung die Wendung zu neuer > Hoffnung eintreten, ein Durchbruch stattfinden kann, wenn auch nicht notwendigerweise muss (> Kreativität, Phasen der > Krise). Deshalb werden in der Therapie die Menschen ermuntert, sich ihren Gefühlen, so unangenehm sie auch sein mögen, zu stellen. Aber auch > Glück kann den entscheidenden Umschlag im Leben eines Menschen bewirken, wenn man z. B. an die starken Veränderungen, die mit Verliebt sein (> Liebe) oft einhergehen, denkt. So scheint es wichtig, darüber nachzudenken, wie die gehobenen Emotionen in der therapeutischen Situation mehr Berücksichtigung finden können. Eine Möglichkeit wäre, die abgewehrten gehobenen Emotionen ebenso wichtig zu nehmen wie die abgewehrten „negativen“ und im Rahmen einer „Freudenbiografie“ aufzuarbeiten (vgl. Kast, 1991, S. 55 f).

Literatur: Kast, V. (1990): Die Dynamik der Symbole; Kast, V. (1991): Freude, Inspiration, Hoffnung; Riedel, ?Titel

Autor: V. Kast