Inflation

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Keyword: Inflation

Links: > Archetyp > Identifikation > Größenfantasien > Minderwertigkeitsgefühl > Hybris

Definition: Unter psychischer Inflation (lat. inflatio: das Aufschwellen, Aufblasen) versteht die > Analytische Psychologie einen Zustand, bei dem eine, die individuellen Grenzen überschreitende, Ausdehnung der Persönlichkeit stattfindet. Das Ich bzw. die Persönlichkeit eignet sich Inhalte, Erkenntnisse und Eigenschaften und Fähigkeiten an, die außerhalb ihrer persönlichen Grenzen liegen, es "bläst" sich auf. (vgl. Jung, GW 7, § 227) Es kommt zu einer unangemessenen Überhöhung des Ich-Gefühls (> Größenfantasie > Narzissmus). Als Beispiel für eine Inflation führt C. G. Jung die überhöhte Art und Weise an, wie sich Menschen manchmal mit ihrer > Persona, mit Amt, Titel und Würden identifizieren (> Identifikation) und sich damit über ihre eigenen Grenzen und Möglichkeiten hinaus ausdehnen, sich Dinge anmaßen, die keineswegs zur eigenen Persönlichkeit oder ihrem Einflussbereich gehören (> Hybris).

Information: Die schwerer zu erkennende Art der Inflation entsteht unweigerlich dann, wenn archetypische (> Archetyp) numinose (> Numinoses) Inhalte vom Ich-Bewusstsein (> Ich/Ich-Bewusstsein) assimiliert werden - z. B. während eines therapeutischen Prozesses - und es sich diese selbst zuschreibt, anstatt sich von ihnen zu differenzieren. Um dieser Bedrohung, nämlich der Assimilierung oder > Identifizierung mit Inhalten des kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives) zu entgehen, muss das Individuum sowohl seinen > Schatten, als auch die Existenz und Bedeutung der Archetypen (> Archetyp) erkennen. Wenn ein Archetyp die Psyche ergreift, dann ergreift er sie mit einer Art Urgewalt, die den Menschen gerade zu zur Überschreitung des menschlichen Bereiches in den übermenschlichen, sei er göttlich oder teuflisch, drängt. Aus solcher Ergriffenheit resultiert Übertreibung, Aufgeblasenheit, Unfreiwilligkeit, Illusion im Positiven wie im Negativen, im Guten wie im Bösen. (vgl. Jung, GW 7, § 110)

Der Vorgang der Inflation, der zu einer Überschwemmung des Ich-Bewusstseins mit archetypischen Bildern und Fantasien führt, kann sich sowohl in einer Analyse als auch außerhalb von ihr ereignen, im Einzelnen wie in Gruppen und im > Kollektiv (> Gesellschaft). Eine solche kollektive Inflation mit archetypischen Ideen kann positive oder negative Auswirkungen haben (z. B. das "neue Zeitalter und das neue globale Denken" oder das "Tausendjährige Reich und der arische Mensch“), immer aber neigt sie dazu, den individuellen Menschen und sein individuelles Bewusstsein zu negieren. "Die gigantischen Katastrophen, die uns bedrohen, sind keine Elementarereignisse physischer oder biologischer Natur, sondern psychische Ereignisse. Uns bedrohen in schreckenerregendem Maße Kriege und Revolutionen, die nichts anderes sind als psychische Epidemien. Jederzeit können einige Millionen Menschen von einem Wahn befallen werden, und dann haben wir wieder einen Weltkrieg oder eine verheerende Revolution. Statt wilden Tieren, stürzenden Felsen, überflutenden Gewässern ausgesetzt zu sein, ist der Mensch jetzt seinen seelischen Elementargewalten ausgesetzt. Das Psychische ist eine Großmacht, die alle Mächte der Erde um ein Vielfaches übersteigt." (Jung, GW 17, § 302)

Die aus der Inflation resultierende Desorientiertheit ist in der Regel von einem Gefühl ungeheurer Macht und Einzigartigkeit (hypomanischer Zustand) oder aber einer starken Empfindung von Unwert und Nutzlosigkeit (> Depression > Minderwertigkeitsgefühl) begleitet. Auch bei Psychosen ((> Psychose) kommt dem Phänomen der Inflation besondere Bedeutung zu, wenn kollektiv-unbewusste Inhalte in das Bewusstsein einbrechen, weil die psychische Abwehr nicht stark genug ist und es zu einer Auflösung der Persönlichkeit kommen kann.

Literatur:

Autor: H. Obleser