Qualitätssicherung in der Psychotherapie
Keyword: Qualitätssicherung in der Psychotherapie
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Definition: Qualitätssicherung (lat. qualitas: Beschaffenheit, Güte, Wert) im eigentlichen Sinne bedeutet die kritische Selbstüberprüfung der eigenen Tätigkeit und gegebenenfalls die Korrektur. Eine einheitliche Definition von Qualität in der Psychotherapie lässt sich jedoch nur schwer verwirklichen (unterschiedliche Qualitätskriterien je nach Interessenlage der Qualitätssicherung fordernden Institutionen). Es existieren daher zahlreiche Qualitätsbegriffe nebeneinander. Allgemein wird unterschieden: 1. die Strukturqualität (Qualifikation der Therapeuten, Ausstattung; Struktur und Organisation der Praxis; Behandlungssettings, Stundenfrequenz u. a.) ; 2. die Prozessqualität (diagnostische und therapeutische Abläufe, Indikation, Konfliktanalyse, interpersonelle und intrapsychische Gestaltung); die Ergebnisqualität (Evaluation der Behandlungsergebnisse und- prozesse, Selbst- und Fremdbewertung der Behandlungsergebnisse).
Information: Für die Qualitätssicherung gilt der Grundsatz, Fehler als Chance zur Veränderung zu nutzen. Zur Qualitätssicherung rechnet man: die Dokumentation des Befundes zu Behandlungsbeginn und bei Behandlungsende unabhängig voneinander durch die Patienten und die Therapeuten z. B. mittels standardisierter Fragebögen und Einschätzungsskalen meist aus der empirischen Psychotherapieforschung; weiterhin Qualitätszirkel unter der Leitung eines geschulten Moderators (z. B. durch die Kassenärztliche Vereinigung nach den Richtlinien der KBV). Darunter versteht man ein kontinuierliches und regelmäßiges Zusammentreffen mehrerer Therapeuten zu Fallbesprechungsgruppen ähnlich wie in einer Intervisionsgruppe (> Intervision). Der formale Ablauf beinhaltet jedoch eine bestimmte Abfolge einzelner Schritte nach dem Prinzip eines Regelkreises: Problemidentifikation; Problemanalyse; Erarbeitung von Lösungsvorschlägen; Umsetzung in die Praxis; Überprüfung, ob das Problem beseitigt ist und dadurch die Qualität verbessert wird; formaler Bericht an die Kassenärztliche Vereinigung. Auch das in Deutschland eingeführte Gutachterverfahren ist - schon lange vor Einführung der Diskussion um Qualitätssicherung - eine beispielhafte Methode der Qualitätssicherung, allerdings bisher ohne Rückmeldung des Therapieergebnisses an den Gutachter.
Jedes Verfahren zur Qualitätssicherung muss dahingehend geprüft werden, ob es den Anforderungen der Spezifität der Methode gerecht wird, deren Qualität geprüft werden soll. Für die interne Qualitätssicherung der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und Psychoanalyse ist von zentraler Bedeutung die, bei Behandlungsbeginn erhobene, Störungsdefinition und Zielfestlegung und die Planung der therapeutischen Vorgehensweise. Bei Therapieende wird darauf bezogen der Verlauf und das Ergebnis bewertet.
Die folgenden Dimensionen sind als Qualitätskriterien bedeutsam: die Symptomatik (psychisch, körperlich, interpersonell, sozial); der intrapsychische Konflikt; die Qualität der psychischen Struktur; der therapeutische Prozess und die Zeit. Von Bedeutung sind weiterhin: die Therapieziele; die Diagnostik; die Krankheitsschwere (Beeinträchtigungsschwerescore BSS, nach Schepank, 1994); die entsprechende Befundveränderung sowie die Rahmenbedingungen. Verschiedene Dokumentationssysteme für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse, die gegenwärtig in mehreren regionalen Modellversuchen erprobt werden, sollen diese Kriterien berücksichtigen. Eine ausschließliche Einbeziehung der Symptomatik als Qualitätskriterium birgt die Gefahr einer voreiligen und unkritischen Schlussfolgerung der Kostenträger in sich, dass durch eine möglichst rasche "Symptomheilung" eine längere Behandlungsdauer nicht gerechtfertigt ist. Dies betrifft vor allem die psychoanalytisch begründeten Langzeittherapien. Die erhobenen Befunde der Patienten- und Therapeuteneinschätzung müssen integriert und Widersprüche interpretiert werden, z. B. in Zirkeln zur Qualitätssicherung. Die wahre Qualität von Behandlungsergebnissen wird letztlich erst in Katamnesen sichtbar. Diese sind sinnvoll und wünschenswert, organisatorisch jedoch aufwendig und für die flächendeckende Routine daher kaum realisierbar.
In Zukunft erscheint für die Psychoanalyse bzw. psychoanalytisch begründete Verfahren eine Dokumentation der Prozess- und Ergebnisqualität unvermeidbar und sollte von den Psychotherapeuten auch im Sinne einer internen Qualitätssicherung angestrebt werden, wenn die psychoanalytisch begründeten Verfahren nicht durch andere Verfahren abgedrängt werden und weiter innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen verbleiben wollen. In Deutschland finden gegenwärtig auf freiwilliger Basis in der ambulanten Psychotherapie und Psychoanalyse einzelne Modellversuche mit unterschiedlichen Basisdokumentationssystemen statt. Ergebnisse liegen bisher nicht vor. Ein von G. Rudolf entwickeltes Dokumentationssystem (QPP) auf der Basis der OPD (> [[Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik) kommt den Kriterien zur Qualitätssicherung am ehesten entgegen. Fest zu halten ist, dass Qualitätssicherung nur dann als Anregung zur Aufmerksamkeit und Selbstkontrolle wirksam sein kann, wenn sie nicht mit individueller externer Kontrolle und Sanktionen verknüpft ist. Sonst kommt es zu Entstellungen, Manipulation und Schönung der Ergebnisse oder gar zu Behandlungsablehnung von schwerer erkrankten oder chronifizierten Patienten.
Literatur:
Autor: W. Keller