Identität
Keyword: Identität
Links:
Definition: Identität (lat. identitas: Wesenseinheit) bedeutet Gleichsein, Selbstsein im Sinne von wesensmäßiger Gleichsetzung, Übereinstimmung. Der Identitätsbegriff bezieht sich bei C. G. Jung - im Gegensatz zum philosophischen modernen Personenbegriff der personalen Identität (> Identität, personale) - nicht auf die Ich-Identität., auf Ich-Strukturen oder auf das > Selbst, sondern auf ein ursprüngliches unbewusstes Identisch sein eines Subjekts mit Objekten.
Information: Jungs Verständnis von Identität bezieht sich auf das Konzept der > Participation mystique im Sinne von L. Levy-Bruhl. Diese Identität kann auch eine "mystische Identität" zwischen "Wort und Gegenstand" implizieren (vgl. Jung, GW 6, § 69). Andererseits kann auch die äußere Welt durch eine "mystische Identität" im ureigenen Gefühl erlebt werden. Dabei wird die ursprüngliche, a priori bestehende, "familiäre Identität" von sekundären Identifikationsprozessen (> Identifikation) unterschieden (vgl. GW 6, § 820). Der Übergang von Identität in Projektion ist dann gegeben, wenn die "apriorische Identität von Subjekt und Objekt störend" wird und partiell aufgelöst werden muss. "Die Identität ist in erster Linie ein unbewusstes Gleichsein mit den Objekten. Sie ist keine Gleichsetzung, keine Identifikation, sondern ein apriorisches Gleichsein, das überhaupt nie Gegenstand des Bewusstseins war. Auf der Identität beruht das naive Vorurteil, dass die Psychologie des einen gleich sei der des andern, dass überall dieselben Motive gälten, dass, was mir angenehm ist, selbstverständlich für den andern auch ein Vergnügen sei, dass, was für mich unmoralisch ist, für den andern auch unmoralisch sein müsse usw. Auf Identität beruht auch das allgemein verbreitete Streben, am andern das verbessern zu wollen, was man bei sich selber ändern sollte. Auf Identität beruht ferner die Möglichkeit der Suggestion und der psychischen Ansteckung. Besonders klar tritt die Identität hervor in pathologischen Fällen, z. B. im paranoischen Beziehungswahn, wo beim andern selbstverständlich der eigene subjektive Inhalt vorausgesetzt wird. Die Identität ist aber auch die Möglichkeit eines bewussten Kollektivismus, einer bewussten sozialen Einstellung, die im Ideal der christlichen Nächstenliebe ihren höchsten Ausdruck gefunden hat.“ (Jung, GW 6, § 822)
Dieser Identitätsbegriff spielt auch für die Theorie neurotischer Erkrankungen eine Rolle, und zwar dann, wenn eine mehr oder weniger völlig unbewusste Identität des Ich mit archetypischen Vorstellungen entsteht. (> Inflation) Der Identitätsbegriff der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) geht also von einem starken, teilweise als "zwingend" angenommenen Einfluss äußerer Objekte in unmittelbarer Weise auf die Psyche des Subjekts aus. Der zwingende Wirklichkeitscharakter des Objekts "beruht" auf der Projektion bzw. der apriorischen Identität der Imago mit dem Objekt, wodurch das äußere Objekt zugleich ein inneres wird. Auf diese Weise kann das äußere Objekt auf unbewusstem Wege direkt eine unmittelbare seelische Wirkung auf das Subjekt ausüben. Eine Interpretation des Identitätskonzepts der Analytischen Psychologie lässt sich auch von dem Konzept des "interpersonalen Selbst" ableiten, das auf Martin Bubers Anerkennungsphilosophie des "Zwischen" basiert. Demnach ist die vorgängige psychische Konstitution von Subjekten nicht als personal, sondern als ursprünglich interpersonal aufzufassen, wodurch sich die apriorische Identität von Subjekt und Objekt ergibt.
Literatur:
Autor: H. Emrich