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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Urszene
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Definition: Der Begriff "Urszene" stammt von S. Freud und wird von ihm erstmals 1918 in seiner Studie über den Wolfsmann (vgl. Freud, GW 8) benutzt. Mit dem Begriff der Urszene werden folgende Inhalte verbunden:
1.) Díe reale Wahrnehmung des Geschlechtsverkehrs der Eltern durch ein Kind. Ein noch kleines Kind wird Zeuge (visuell, akustisch oder kinästhetisch des sexuellen Verkehrs der Eltern. Nach Freud fasst das Kind die Urszene als aggressives Verhalten des Vaters gegenüber der Mutter im Sinne eines sadistisch- masochischtischen Vorganges auf. Die Beobachtung oder Fantasie führe zu einer sexueller Erregung des Kindes, bilde aber auch die Grundlage der Kastrationangst (> Kastration). Mit der Wahrnehmung der Urszene kommt es zu Fantasien ("Urszenen- Fantasie“), die unabhängig von den realen Erlebnissen bis ins Erwachsenenleben immer wiederkehren können und die Entwicklung der Sexualität beeinflussen. Die Urszene gilt nicht nur als ein Bezugsrahmen für alle sexuellen psychischen Zustände, sondern auch als zentrale Struktur des Unbewussten von Kleinkindern sowie Erwachsenen.
2. Unter Urszene wird auch das Konzept der Urszenen-Fantasie verstanden. Hierzu zählen die Fantasien in Verbindung mit dem real Erlebten, jedoch auch die Fantasie des ödipalen Kindes über das Geschlechtsleben seiner Eltern. Die Urszenenfantasie enthält all das unbewusste Wissen und unbewussten Fantasien über zwei Menschen im Geschlechtsverkehr. Sie wird von jedem Liebenden in die sexuelle Begegnung eingebracht. Auf diese Weise kann der Geschlechtsverkehr zu einer symbolischen Reinszenierung der Urszene werden.
Information: Die Urszene und die Urszenenfantasie finden unterschiedliche Interpretationen:
M. Klein geht in ihrer Theorie davon aus, das die elterliche Koitusszene zu einem inneren Objekt des Kindes im Sinne einer vereinigten Elternfigur werden kann. Die im verhassten Koitus geglaubten Eltern werden zu einem hassenswerten drohenden Ungeheuer und wirken meist schreckeinflösend auf das Kind. Die Urszene ist dann der Kern der kindlichen Albträume und Verfolgungsangst. Später beschreibt sie vor allem die Ambivalenz des Kindes gegenüber der Urszene: Es fühlt sich von den Eltern ausgeschlossen, gleichzeitig besitzen diese Objekte (Penis, Brust), die das Kind auch begehrt.
Winnicott (Winnicott, 1984) meint, dass die Fähigkeit zum Alleinsein von der Fähigkeit des Individuums abhänge, die durch die Urszene geweckten Gefühle zu bewältigen. Th. Bauriedl (Bauriedl, 1988]) interpretiert, Kinder würden den Ausschluss aus der Urszene nur dann als narzisstische Kränkung erleben, wenn eine Ersatzpartnerschaft zu einem Elternteil vorliege (> Ödipuskomplex).
Während C. G. Jung der Meinung ist, dass Urszenen Spiegelungen der Fantasie darstellen, die einen archetypischen Ursprung haben und symbolisch aufgefasst werden müssen, bleibt Freud bei der Auffassung, dass Urszenen- Fantasien in erster Linie "Abkömmlinge der konkreten Urszene seien.“ Die Analytische Psychologie verwendet den Begriff Urszene nicht, kann aber in den Fantasien zur Urszene aus ihrer Sicht das gesamte unbewusste Wissen und die persönlichen Mythologie eines Menschen in Bezug auf die menschliche Sexualität, also auch die seiner Eltern bezeichnen. Die Bedeutung der Urszene für die Entstehung von Neurosen ist anders als in der Psychoanalyse: Sowohl bei infantilen neurotischen Bindungen von Erwachsenen an ihre Eltern oder die Familie wie auch bei der regredierenden Fantasie können Bilder belebt werden, denen kompensierende und heilende Bedeutung zukommen kann und die durch die Arbeit am Symbol integriert werden können. Das Geheimnis, welches die Urszenenfantasie umgibt, kann in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der inneren Vorstellung von Vereinigung und Ganzheit am ehesten erfasst werden. Die Urszenenfantasie berührt die geheimnisvolle Verbindung zwischen Mann und Frau und den Archetyp der Liebe und Sexualität.
Mythologisch spiegelt sich die Urszene als Zustand anfänglichen Daseins in der Vereinigung der Ureltern (> Uroboros) wieder, als Symbol des Ursprungs der Seele, als Einheit des männlich-weiblichen Polarität, als dauernd miteinander verbundene Ureltern. Und im Bild der Urszene stellt sich die Frage der Seele nach der eigenen Herkunft und dem eigenen Ziel.
Literatur: Mertens, W. (1998): Psychoanalytische Grundbegriffe; Mertens, W. (1998): Psychoanalytische Grundbegriffe; Neumann, E. (1949 a): Ursprungsgeschichte des Bewusstseins.
Autor: A. Kuptz-Klimpel