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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Geschlecht

Links: > Anima/Animus > Bewusstsein, matriarchales > Bewusstsein, patriarchales > Ehe/Partnerschaft > Geschlechtsidentität > Männliches und Weibliches Prinzip > Sexualität > Sexualität als Symbol

Definition: Allgemein werden als Geschlechter die zwei, als weiblich und männlich bezeichneten, Formen bezeichnet, nach denen sich Organismen biologisch unterscheiden. Mit der biologisch feststellbaren Unterscheidung verkoppelt sind eine Vielzahl von tatsächlichen, anerzogenen und zugeschriebenen psychischen und soziokulturellen Merkmalskomplexen, Differenzen und Konflikten. Diese gründen sich zum einen auf biologisch beobachtbare und damit zusammenhängende oder daraus heraus zugeschriebene Rollen und Verhaltensmuster, wie auch auf daraus entstandenen typischen und verallgemeinerten Erlebnissen und Interaktionen zwischen den Geschlechtern, präziser zwischen gegengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen elterlichen und gleichaltrigen Bezugspersonen und Lebenspartnern. Trotz aller möglichen Individualität in den Interaktionen scheinen sich dabei „typische“ weibliche und männliche Erlebensformen und Merkmale herausgebildet zu haben, die als solche in der Evolution und in den Sozialisationsprozessen gefördert wurden, möglicherweise aber auch zwei unterschiedlichen körperlichen und psychischen Erlebnisrealitäten und -qualitäten entsprachen und entsprechen.

Information: Bei Tieren und Menschen wird mit der Befruchtung durch die Chromosomen auch das Geschlecht festgelegt. Allgemein wird in der Biologie angenommen, dass schließlich die Geschlechtshormone als Steuersubstanzen die Entwicklung zum männlichen und weiblichen Lebewesen einleiten. Da die Hormone nicht nur die Entwicklung der Geschlechtsorgane, sondern gleichzeitig auch andere Organfunktionen beeinflussen, wird vermutet, dass über ihre Steuerung generell die Ausprägung des männlichen und weiblichen Körper-Psyche-Ganzen erfolgt. Teilweise wird auch davon ausgegangen, dass das Weibliche das biologische Grundgeschlecht ist und das Männliche daraus, als eine hoch spezialisierte besondere Form, hervorgeht. Hirnphysiologische Untersuchungen seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erbringen Belege für die unterschiedliche Ausbildung und Funktionsweise des Gehirns bzw. einzelner Gehirnregionen von Frau und Mann. Befunde betreffen u. a. die unterschiedliche Benutzung der rechten und der linken Gehirnhälfte, die unterschiedliche Akzentuierung der Themen Aggression, Beziehung, Denken, Emotion, Sexualität.

Aus Sicht der Evolutionären Psychologie (> Evolutionäre Psychologie) (Buss, 1999) haben sich, aufgrund der biologischen Zweigeschlechtlichkeit, auch Unterschiede von weiblicher und männlicher Psyche entwickelt, weil das einen Evolutionsvorteil bringt. Paarbildung von zwei getrennten Systemen ermöglicht eine immer neue Verteilung aller vorhandenen Entwürfe und immer neue Kombinationen. Paartrennung, Gegensätzlichkeit ermöglicht eine differenzierte Ausbildung von Kontrasten. Gerade durch die Trennung der Eigenschaften und deren Komplementarität wächst das aufeinander Angewiesen sein der Individuen, auch der gegengeschlechtlichen. Auf diese Weise entstehen Gruppen: Vater, Mutter, Kinder, die zugleich abhängig und unabhängig sind und eine größtmögliche Mischung des vorhandenen Energie-Potenzials und damit größtmögliche Überlebens- und Ausdehnungschancen garantieren. Sozialisationstheorien betonen im Unterschied dazu, dass geschlechtsspezifische Unterschiede weniger biologisch bedingt und notwendig, sondern kulturell vermittelt und sozial gewollt seien. Frauen und Männer werden auf gesellschaftlich tradierte Normen und Rollen festgelegt, die (meist) patriarchalen Herrschaftsformen nützen. (> Feminismus > Patriarchat)

Die Diskussion um angeborene und anerzogene Eigenschaften hat insgesamt dazu geführt, dass traditionelle und einschränkende Klischees zunächst für die Frau, dann auch für den Mann weitgehend infrage gestellt wurden. Frauen und Männer haben dadurch entscheidend mehr Freiheiten in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und in der Ausgestaltung ihres individuellen Lebens gewonnen. Meist wird heute von einer komplexen Mischung der verschiedenen biologischen und sozialen Einflussgrößen, von Anlage und Umwelt ausgegangen. Paarbildung und Partnerschaft bedürfen sowohl der Gleichheit, als auch des Kontrastes (Höhler, Koch, 1998). Das Befreiende an der gegenwärtigen Situation könnte sein, dass Frauen und Männer ihre > Geschlechtsidentität in ihrer jeweils individuellen Eigenart und Unterschiedlichkeit differenzieren und entfalten können.

Literatur: Buss, D. (1994): Die Evolution des Begehrens; Höhler, G. Koch, M. (1998): Der veruntreute Sündenfall; Ratey, J. (2001): Das menschliche Gehirn.

Autor: A. Müller