Homosexualität: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Homosexualität
Links: > Geschlecht > Geschlechtsidentität > Identität > Sexualität
Definition: Die Bewertung der Homosexualität (griech. homós: gleich, in gleicher Weise; lat. sexus: männliches und weibliches Geschlecht) ist kulturabhängig. Als psychiatrischer Begriff wurde Homosexualität erstmals 1869 erwähnt, hat sich aber erst im 20. Jh. als fester Begriff etabliert.
Information: In etwa einem Drittel der bekannten Kulturen ist sie verboten gewesen. In der Sexualität als Knabenliebe im griechisch-römischen Kulturkreis gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, trifft Homosexualität in der jüdisch-christlichen Kultur auf schärfste Ablehnung, was als eine Wurzel der Homophobie (griech. phóbos: Furcht, Schrecken) gewertet werden kann (vgl. Gründel, 1993). Die Homosexualität existiert in einer Vielzahl von Formen und Erscheinungsweisen mit unterschiedlicher Genese. Deshalb muss ein Versuch, eine einheitliche Theorie der Homosexualität aufzustellen, von vornherein scheitern (vgl. Rohde-Dachser, 1994). Es sollte zwischen homosexueller Orientierung und homosexuellen Fantasien unterschieden werden, die man unabhängig von der sexuellen Orientierung bei Frauen und Männern regelmäßig antrifft (vgl. Isay, 1990). Da sich die Kerngeschlechtsidentität (> Geschlechtsidentität) bereits gegen Ende des zweiten Lebensjahres etabliert (vgl. Mertens, 1996), ist sie durch Psychotherapie selten veränderbar.
In der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) gibt es nur wenige Beiträge zur Homosexualität (vgl. Jacobi, 1969; Schellenbaum, 1991; Roser, 1996). C. G. Jung hat sich in seinen Schriften in unterschiedlicher Weise zu diesem Thema geäußert. Für ihn ist Homosexualität Ausdruck einer verfehlten Identitätsfindung und unbewussten Fixierung an die Mutter (vgl. Jung, GW 9/1, § 162, Briefe 2, S. 222). Auch für J. Jacobi (vgl. Jacobi, 1969) und M. L. von Franz (vgl. v. Franz, 1980, 1987) resultiert die (männliche) Homosexualität aus der Schwierigkeit einer nicht gelösten Abhängigkeit an die persönliche und archetypische Mutter, was einer Pathologisierung gleichkommt. Jung selbst überwindet die reduktionistische Sichtweise der Homosexualität, in dem er nach dem individuellen Sinn der Homosexualität für den Individuationsweg fragt und damit den finalen Aspekt (> Finalität) in die bislang rein kausale Betrachtung der Homosexualität einführt (Jung, GW 7, § 174). Mit der veränderten Sicht der > Libido als allgemeiner unspezifischer psychischer > Energie und der polaren Struktur der Psyche bietet die Analytische Psychologie eine Basis, von der aus die bislang existierende Einseitigkeit der Sicht der Homosexualität zu transzendieren wäre. Homosexualität wäre dann eine legitime Form der biopsychischen > Polarität. Jung bringt die Homosexualität an verschiedenen Stellen seines Werkes in Zusammenhang mit dem Anima-Begriff (> Anima/Animus: Klassische Auffassung). Obwohl sich Jung von der Auffassung der Homosexualität als Pathologie distanziert, geht das Vorurteil der Effeminierung des männlichen Homosexuellen (entsprechend einer Vermännlichung bei der weiblichen Homosexualität als Ausdruck der Identifikation mit dem Animus) und eine Vermischung von psychischen Prinzipien mit sozialen Rollenzuschreibungen in seine Äußerungen ein. Kulturelle und normative Definitionen im Sinne der Geschlechtsrolle vermischen sich häufig mit Fragen der gesamten Geschlechtsidentität. Die Gefahr einer unreflektierten Verbindung von psychischen Prinzipien mit der geschlechtlichen Orientierung zeigt sich in folgendem Zitat Jungs: "Da aber der Mensch Männliches und Weibliches in der Natur vereinigt, so kann ein Mann Weibliches und eine Frau Männliches leben.. Ein Mann sollte aber als Mann leben und eine Frau als Frau." (Jung, GW 10, § 243). Entsprechend dem Konzept der Analytischen Psychologie verschiebt sich der Schwerpunkt in der Betrachtung der Homosexualität auf die Betonung des individuellen Entwurfs des Menschen: Nicht die Homosexualität an sich und deren Änderung wird zum Fokus therapeutischen Handelns, sondern die Frage ist, ob der Mensch zur > Identität mit sich selbst bereit ist. Die Frage, ob die Homosexualität sich in einer spezifischen archetypischen Konfiguration ausdrückt, wie dem > Archetyp der > Androgynie oder des Hermaphroditen (> Hermaphrodit), muss offen bleiben.
Literatur: Hopcke, R. H. (1993): C. G. Jung, Jungianer und Homosexualität; Roser, M. (1991): Homosexualität aus der Sicht der Analytischen Psychologie; Schellenbaum, P. (1991): Homosexualität im Mann.
Autor: M. Roser