Pubertät: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Pubertät

Links: > Adoleszenz > Eltern > Familie > Geschlecht > Gewalt bei Jugendlichen > Jugendlichen-Psychotherapie, analytische > Sexualität

Definition: Pubertät (lat. pubes: mannbar, männlich, erwachsen; lat. pubertas: Mannbarkeit;]]) bedeutet Geschlechtsreife (> Geschlecht > Geschlechtsidentität > Sexualität). Der Begriff wird oft ähnlich oder synonym für > Adoleszenz gebraucht und meint die Entwicklungsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein, in der heranwachsende Jugendliche die Geschlechtsreife erlangen. Pubertät beschreibt die körperlichen, genetisch und hormonell gesteuerten Umwandlungsprozesse und Manifestationen der sexuellen Reifung. Die Pubertät beginnt in Mitteleuropa bei Mädchen ab dem 10. bis 11., bei Jungen ab dem 12. Lebensjahr, verläuft meist in unregelmäßigen Schüben und ist geprägt durch die Menarche bei Mädchen bzw. das Auftreten von Samenergüssen (Pollution, Ejakulation) bei Jungen, sowie durch die endgültige Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale (z. B. Körperbau, weibliche Brust, Stimmlage, Behaarung). Psychisch kommt es oft zu Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Depressionen, aggressivem und riskantem Verhalten.

Information: Der, aufgrund der sexuellen Reifung andrängende, Schub triebhafter Regungen (> Libido > Triebentwicklung, Phasen der) führt zu zunehmender Erotisierung des eigenen Körpers und zu sexuellem Angesprochenwerden durch den Körper des anderen im Zusammenhang mit sexuellen Fantasien, Wünschen und Handlungsimpulsen (> Sexualität). Selbstbefriedigung (Masturbation) wird in der Pubertät von Jungen und Mädchen (wieder) entdeckt und ist probates Mittel, um sexuelle Spannungen zu lindern, den eigenen Körper zu entdecken und sich mit der eigenen Lust vertraut zu machen.

Der wesentliche intrapsychische Konflikt im Jugendalter ist der zwischen Abhängigkeit und Autonomie: Ein Ambivalenzkonflikt zwischen kleinbleiben wollen, Bedürfnis nach kindlicher Wunscherfüllung und infantiler Bindung an die einerseits und dem Streben nach Selbstbestimmung und Selbstfindung, Abgrenzung und Wunsch nach Progression andererseits. Weiterhin ist die Beziehung zu den Eltern geprägt durch starkes Schwanken zwischen Nähe und Distanz. Einerseits suchen die Jugendlichen Akzeptanz und Verstandenwerden bei den Eltern, andererseits sind die Beziehungen durch das Bedürfnis nach Abgrenzung, innerer und äußerer Rückzug und Distanz geprägt. Die Jugendlichen wollen ihre Nähe zu den Eltern selbst bestimmen, auf keinen Fall wollen sie die Nähewünsche ihrer Eltern erfüllen und sich deren Bedürfnissen nach Zusammensein und Nähe anpassen.

C. G. Jung beschreibt die möglichen Wirkungen der körperlichen Veränderungen auf die Pubertierenden als innere "Entzweiung mit sich selbst" (vgl. Jung, GW 8, § 757), als Schock und innere Katastrophe, aber auch als seelische Geburt: "Die kindliche Stufe des Bewusstseins kennt noch keine Probleme, denn noch hängt nichts vom Subjekt ab, indem das Kind noch ganz von den Eltern abhängt. Es ist, wie wenn es noch gar nicht völlig geboren, sondern noch in der seelischen Atmosphäre der Eltern getragen wäre. Die seelische Geburt und damit die bewusste Unterscheidung von den Eltern erfolgt normalerweise erst mit dem Einbruch der Sexualität im Pubertätsalter. Mit dieser physiologischen Revolution ist auch eine geistige verbunden. Durch die körperlichen Erscheinungen wird nämlich das Ich in so hohem Maße betont, dass es sich oft ganz unverhältnismäßig zur Geltung bringt. Daher der Name: Flegeljahre." (Jung, GW 8, § 756) 

Auch inzestuöse Fantasien (> Inzest > Heiratsquaternio > Verwandtschaftslibido), symbolisch verstanden als Regression zu den Elterimagines (> Imago > Mutterarchetyp > Vaterarchetyp), treten mit Beginn der Pubertät auf. Da sie dem Pubertierenden nicht als archetypisches Bild verstehbar sind, sind sie häufig angsterregend. Hinzu kommt, dass der manifeste physische Inzest in dieser Phase auch besonders häufig eine reale Gefahr darstellt.

Literatur: Bohleber, W. (Hrsg.) (1992): Adoleszenz und Identität; Bovensiepen, G. (1993): Analytische Psychotherapie mit Jugendlichen; Guggenbühl, A. (2002): Pubertät- echt ätzend; Kiepenheuer, K. (1988): Geh über die Brücke; Mertens, W. (1996): Entwicklung der Psychosexualität und der Geschlechtsidentität.

Autor: A. Kuptz-Klimpel