Vaterarchetyp

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Keyword: Vaterarchetyp

Links: > Archetyp > Bewusstsein, patriarchales > Logos-Prinzip > Männliches und Weibliches Prinzip > Mutterarchetyp > Patriarchat > Vaterbild > Vater, Großer > Vaterkomplex

Definition: Der Vaterarchetyp ist Teil des Elternarchetyps (> Eltern), zugleich ist er ein Aspekt des Männlichen. So wie auch der > Mutterarchetyp stellt er ein präexistentes und selbst unanschauliches Strukturelement der unbewussten Psyche jedes Menschen dar. Der Vaterarchetyp konstelliert sich beim erwachsenen Mann - und bei der Frau - vor oder am Beginn einer Schwangerschaft. Dies hat eine biologische und eine psychische Seite, die sich an Träumen werdender Väter und schwangerer Frauen ablesen lässt (vgl. Kortendieck-Rasche, 2001). Es werden in Traumsymbolen gewissermaßen die Aspekte des Vater- wie auch des Mutter-Archetyps aktiviert und regeneriert, die für die Aufgaben als werdende Eltern gebraucht werden. Der biologische Aspekt der Vaterschaft ist, wie neue Befunde der Hormon-und Bindungsforschung nahe legen, mit der Zeugung nicht abgeschlossen: auch beim Vater wird das "Liebeshormon" Oxytocin ausgeschüttet, das zwischen der stillenden Mutter und dem Säugling die chemische Bindung stiftet. Bei der Entwicklung von Väterlichkeit scheint zudem das Vasopressin und ein Prolaktin-Analog eine spezifische Rolle zu spielen.

Information: Zur biologischen Seite des Vaterarchetyp kommt zunehmend die des psychophysischen Übergangsraumes: der Vater wird z. B. um den 18. Lebensmonat herum als körperlich anwesender Vater gebraucht, um dem Kind aus Ängsten herauszuhelfen (> Triade/Triangulierung), die phasenspezifisch mit der Lösung aus dem matriarchalen Uroborus (> Mutterarchetyp) zusammenhängen. Es werden nun die Aspekte des Schützen, Nähren, Zeigen wichtig, und mit ihnen die besonderen kulturellen Aspekte des Vaterarchetyp (> Vater, Großer).

Die psychischen Aspekte des Vaterarchetyps sind eingehend von E. Neumann beschrieben worden (> Bewusstseinsentwicklung: Mythologische Stadien). Dieses Konzept ist heute umstritten, weil es die Zuordnung männlich-väterlich-geistig und weiblich-mütterlich-körperlich festschreibe. E. Monick (Monick, 1990) schlägt aus solchen und anderen Gründen vor, neben dem "solaren Geistphallus" als Aspekt des Väterlich-Männlichen bei Neumann auch den "chthonischen Phallus" verstärkt in seine Rechte zu setzen, da dieser körperliche Pol nicht weniger wert ist als der Geist. Diese Thesen stehen in Einklang mit den biologischen Aspekten des Vaterarchetyp und der Notwendigkeit des Vaterkörpers (vgl. Bly, 1993; Ware 1996; Huber, 2000]]) für das Kind, auch mit der besonderen Rolle der expansiven Körperlichkeit für den Jungen, die anders konnotiert ist als beim Mädchen, das zeitlebens dem Mutterkörper näher bleibt und bleiben kann (> Bewusstseinsentwicklung, Stadien der weiblichen).

Der Vaterarchetyp enthält Aspekte wie Autorität, Verbindlichkeit, d. h. Gültigkeit von Regeln, von Gerechtigkeit, von Strafe und Vergebung, von Mut, Stolz und Freiheitsliebe, von Tradition, von Wissen und Werten. Diese Aspekte des Väterlichen sind im Laufe der letzten Jahrzehnte mit der Revolte gegen Autorität und Macht der Väter und Männer und gegen das patriarchale Denken und Bewusstsein starker Kritik ausgesetzt gewesen. Inzwischen sind als Folge nicht nur eine zunehmende Emanzipation von patriarchalen Einstellungen, Verhaltensweisen und Werten zu beobachten, die dazu tendiert haben, einseitig, starr, unflexibel, geistig gefangensetzend, körperfeindlich zu werden (> Senex) und zur patriarchalen "Kastration" und Gefangenschaft führen können. (vgl. Neumann, 1949a]]). Sichtbar werden auch negative Folgen der Entwertung des archetypisch Väterlichen, sodass beispielsweise eine zunehmende ethische Verwahrlosung (> Ethik > Moral > Über-Ich > Stimme, innere) befürchtet wird. 

Zum Vaterarchetyp gehört die Suche nach dem Vater als sozusagen utopische Dimension dazu. In Zeiten der Kompromittierung der Väter und des väterlichen Prinzips oder Archetyps wächst individuell und kollektiv das Bedürfnis nach positiver Väterlichkeit. Die reale Suche nach einem nicht erlebten Vater ist, wie H. Petri (vgl. Petri, 1997]]) gezeigt hat, ein wichtiges Thema nicht weniger Biografien. Archetypisch-mythologische Bilder dafür finden sich bei den Griechen (Theseus, Telemach), in Märchen oder auch in der Jesusgeschichte des Neuen Testaments, wo der reale Vater und der göttliche Vater zusammenfallen.

Literatur: Monick, E. (1990): Die Wurzeln der Männlichkeit; Rasche, J. (1988): Prometheus. Der Kampf zwischen Sohn und Vater; Winker, B. (1996): Der Untergang des Väterlichen: Symptom unserer Zeit oder Herausforderung für Tiefenpsychologie und Psychotherapie; Zoja, L. (2002): Das Verschwinden der Väter.

Autor: J. Rasche