Tonfeld, Arbeit am: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Tonfeld, Arbeit am

Links: > Beziehung, therapeutische > Bild > Imagination > Gestaltungstherapie > Kreativität > Sandspieltherapie > Symbol

Definition: Die Arbeit am Tonfeld - 1972 von H. Deuser entwickelt - ist eine therapeutische Methode der Gestaltung von Unbewusstem. Hierbei wird ein flacher Kasten (38X42X3 cm Ausmaß]]) verwendet, der ebenmäßig mit Tonerde ausgestrichen ist: das Tonfeld. Die Arbeit am Tonfeld geht auf die Beobachtung zurück, wie sich ein Gegenstand im Greifen eigentümlich verwandelt: Verschiedene Menschen, denen eine versteinerte Muschel zum tastenden "Begreifen" vorgelegt wird, erkennen darin unterschiedlichen Dinge, also z. B. einen Faustkeil, etwas Kostbares und Schützenswertes, eine Landschaft usw. Das, was sie dabei erkennen, steht in unmittelbarer Entsprechung zu der Art und Weise, wie sie die Muschel mit den Händen ergriffen und berührt haben. Mit dieser Schlüsselerfahrung war ein Weg gefunden, zu erkennen und zu konkretisieren, was den Menschen in seiner Bewegung (> Körper > Tanz) unmittelbar bewegt und zugleich zu erfahren, wie er seine Welt aufnimmt. Damit sich solche Erfahrung der Hände entfalten kann, wird das Tonfeld verwendet. Mit den Händen kann es wahrgenommen, ertastet, erfahren werden. Das formbare Material lädt ein zu Erprobungen, es nimmt jede Berührung auf und lässt Gestaltung und Verwandlung zu. Das begrenzte Feld vermittelt den wahrnehmenden Händen Halt, die ebene Fläche bietet freien Raum. Zudem ist die Präsenz des Begleiters wichtig. Die Arbeit am Tonfeld greift schon im Setting die Grundbedingung der Entwicklung des Menschen auf: Vor sich hat er etwas Greifbares, in seinen Händen liegt die Möglichkeit zum Greifen, und in diesem Erleben erfährt er Zuspruch und Halt von einem mitmenschlichen Du.

Information: Die Erfahrungen in der Arbeit am Tonfeld greifen die Anfänge der ontogenetischen Entwicklung auf (> Einheitswirklichkeit > Entwicklungspsychologie > Objektbeziehungstheorie > Urbeziehung) und folgen ihrem Verlauf. Vor der Trennung in Subjekt und > Objekt beginnt die Arbeit am Tonfeld in einem emotionalen Beziehungsgeschehen, das die Basis dieser Auseinandersetzung darstellt und immer zugleich auch Bewegung ist. Im Verlauf wird deutlich, wie der Einzelne Beziehung gestaltet: Beziehung zu sich selbst, zur Welt und auch zu eigenen Möglichkeiten, die Umsetzung und Verwirklichung fordern. Beziehung ist immer wechselseitig: Wer etwas mit den Händen berührt, der wird auch selbst davon berührt, und dieses Berührtsein fordert weiter heraus: Es weckt Bedürfnisse (Motivation), lädt ein zu lebendigen Improvisationen, Entscheidungen und Antworten, die wiederum berühren. Beziehungsentfaltung ist immer auch Selbstentfaltung. Sie vollzieht sich hier als Handlungsgeschehen. Jeder Vorgang, das Tonfeld zu berühren, etwas zu entnehmen, es zu leeren, zeigt einen Handlungsdrang, der sich verwirklichen möchte. "Bewegung wird Gestalt" wird deshalb zum Grundsatz der Arbeit am Tonfeld. Was sich abbildet in dem formbaren Material, ist die Bewegung selbst: als Ausdruck der Weise, wie der Einzelne einem jeglichen Gegenüber - eben "der Welt" - begegnet. Sie enthält zugleich seine gesamte lebensgeschichtliche Erfahrung, all seine menschlichen Bedingungen und Möglichkeiten. Doch steht hier nicht die analytische Auflösung an. Vielmehr kann der Gestaltende seinen eigenen Erfahrungsmodus in seiner Arbeit erkennen, ihm begegnen, mit ihm weiter umgehen und ihn verwandeln. Was die eigene Bewegung vorgibt, verlangt auch in der eigenen Bewegung nach Entwicklung und Lösung. Damit verwandelt er sich selbst in dieser Erfahrung. Handlungserwerb und Handlungserfahrung fließen zusammen. Der Gestaltende kann sich selbst gestalten und das erwerben, was ihm in der konkreten biografischen Situation nicht möglich gewesen ist. Vom Anlass abgelöst, kann er sich in seiner Bewegung und in seiner Antwort neu bilden und erfüllen.

Die Gestaltbildungen, die sich in der Arbeit am Tonfeld entwickeln, entsprechen den Bildungen des kollektiven Unbewussten. Die Archetypenlehre C. G. Jungs (> Archetyp) lässt sich hier eindrücklich belegen. Die Arbeit hebt die willkürliche Unterscheidung von Psyche und Welt auf und begründet das kollektive als Beziehungsraum. Sie geht aus von dem Handlungsgeschehen, in dem der Mensch seine Welt auffasst und begreift, und in dem er zugleich selbst seine Präsenz gewinnt. Was sich gestaltet, entspringt unmittelbar der Sinnenerfahrung und wirkt auf sie zurück: Viktor v. Weizsäcker stellt dieses Geschehen als "Gestaltkreis" dar. Die Libido dieser Verknüpfungen repräsentiert hier das Material Ton in all seinen Erscheinungen. Es ermöglicht ihren Wandel. Die Gestaltbildungen treten einerseits auf als Wahrnehmungsgestalten des jeweiligen Gegenübers - also als Modus, in dem etwas wahrgenommen wird - andererseits treten sie auf als eigene Bewegungsgestalten, in denen man sich selbst bewegt. Mitwelt und Selbstwelt fließen in ihnen zusammen. das > [[Ich ist das Antwort gebende Organ, das sich in seiner Antwort auf den Anspruch seiner eigenen Bewegung immerzu bilden muss. In diesem > Individuationsprozess ist die Energie, da sie erhalten bleibt, bestimmbar, nur ihre Erscheinungsformen sind unendlich variabel. Sie folgen einer Entwicklung, in deren Stadien Erfüllung und zugleich Einsicht gewonnen wird in den Prozess der Beziehungsentfaltung.

Literatur: Brockmann, A. D. (2002): Bewegung wird Gestalt. Die Arbeit am Tonfeld nach Heinz Deuser; Deuser, H. (2001): Die Begleitung in der Arbeit am Tonfeld; Deuser, H. (2002): Welchen Grund bietet nonverbale Arbeit für die Wissenschaft? Überlegungen und Beobachtungen am Beispiel der Arbeit am Tonfeld; Deuser, H. (Hrsg.) (2003): Bewegung wird Gestalt.

Autor: H. Deuser