Symbol
Keyword: Symbol
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Definition: Symbol (griech symbolon: Vertrag; Wahrzeichen, Vorzeichen, Erkennungszeichen, Signal, oft ein geheimes Zeichen) weist durch seine beiden Wortbestandteile (sym: zusammen mit, übereinstimmend mit; ballein: werfen, schleudern, das Ziel treffen, sich in etwas verwickeln oder etwas in Bewegung setzen) auf das Wesen des Symbolischen hin, wie es in der Analytischen Psychologie verstanden wird. Im Symbol werden verschiedene, oft polare (> Gegensatz > Polarität) und paradoxe (> Paradoxie) Aspekte einer Sache miteinander verbunden und ineinander "verwickelt" und bekommen damit einen Sinn, der durch das Wesen der Einzelgebilde nicht zu erkennen ist (> Allegorie > Metapher). Das Symbol weist über sich selbst hinaus auf einen übergreifenden Sinn, ein übergeordnetes Ziel, es wirkt treffend und betrifft und setzt etwas in uns Bewegung (> Energie). Häufig entstehen Symbole aus bildhaften, visuellen Ausdrucksformen und sind > Sinn und > Bild. Es kann aber praktisch jede andere wahrnehmbare Gestalt - eine Tonfolge, ein Wort, eine Geste, ein Geruch, eine Körperwahrnehmung (> Körper) eine Berührung zum Symbol werden oder symbolische Wirkung entfalten.
Information: Im Symbol gewinnt ein vieldeutiger, in seiner Ganzheit schwer erfassbarer und formulierbarer Sachverhalt Gestalt. Auch Sprache ist ein Symbolsystem, muss aber, damit in komplexen sozialen Situation zwischen komplexen Individuen eine ausreichende Verständigung möglich ist, ordnend, relativ abstrakt, rational und eindeutig sein (> Logos-Prinzip). Dadurch geht ein Teil der emotionalen Vielschichtigkeit und Ganzheitlichkeit der lebendigen Erfahrung verloren. Symbole können die Komplexität des Lebens wegen ihrer eigenen Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit "klarer aus als der klarste Begriff" ausdrücken, andererseits sind sie immer nur "Anspielungen, sie deuten auf etwas hin, sie stammeln, und oft gehen sie in die Irre. Sie versuchen nur, in eine bestimmte Richtung zu weisen, nämlich zu jenen dunklen Horizonten, hinter denen das Geheimnis des Seins verborgen ist. Zum Teil sind es sogar unzulängliche und zweifelhafte Versuche, das Unaussprechliche auszudrücken. Es sind nur bescheidene Bemühungen, das nicht zu Beschreibende zu formulieren, zu definieren, zu formen. Sie bilden keine Lehre, sondern sind nur Ausdruck der Erfahrung eines unaussprechlichen Mysteriums und eine Antwort darauf." (Jung, Briefe 3, S. 15f)
In diesem Symbolverständnis unterscheidet sich die Analytische Psychologie von der klassischen Psychoanalyse. Letztere ist der Auffassung, dass sich hinter dem manifesten Symbol ein latenter, relativ eindeutiger und konkreter, meist sexueller Wunsch verbergen würde. Das (Traum-)Symbol sei Ausdruck der psychischen Abwehr- und Bearbeitungsmechanismen mit dem Ziel, die Zensur des Über-Ichs zu umgehen. die > [[Analytische Psychologie geht natürlich auch davon aus, dass im Symbol ein Wunsch, ein Bedürfnis, ein Konflikt oder ein > Komplex sichtbar werden können, geht aber weiter: Im Symbol, verdichtet sich nicht nur ein konkretes, konflikthaftes Ereignis in abgewehrter Form, sondern es bildet eine neue und einmalige schöpferische Gestalt, in der sich Aktuelles und Biografisches einer Persönlichkeit (> Unbewusstes, persönliches > Schatten) mit Archetypischem und Finalem (> Archetyp > Finalität > Unbewusstes, kollektives) vermischt. Das Symbol trägt so dazu bei, das Bewusstsein zu erweitern und das psychische Potenzial in seiner Entfaltung zu unterstützen (> Funktion, transzendente). Symbole wirken auf das Denken, und Fühlen, die Wahrnehmung, die Intuition und die Fantasie, auf Bedürfnisse und Triebe, auf Bewusstes und Unbewusstes. Sie können wie "Energietransformatoren" wirken, indem sie festgefahrene Einstellungen und Verhaltensweisen kompensieren und Alternativen aufzeigen, sie können begeistern und motivieren, aber auch warnen und hemmen (> Progression, > Regression). Damit sie diese Wirkung haben können, müssen sie lebendig bleiben, was vor allem heißt, dass sie nicht vorschnell einseitig gedeutet (> Deutung) und festgelegt werden dürfen.
Der Sinn des Umgangs mit Symbolen in der Therapie und im Individuationsprozess liegt aber nicht nur in der Nutzbarmachung einzelner wichtiger Symbole, sondern im (Wieder-]]) Gewinnen einer Einstellung, die Jung "symbolische Einstellung" (genauer wäre wohl symbolisierende Eistellung) genannt hat. Es ist eine bestimmte Art des Wahrnehmens und Erlebens, ein "symbolisierender Blick", sich und die Dinge der Welt zu betrachten. Ob etwas als Symbol wirkt oder nicht, hängt weitgehend vom jeweiligen Betrachter ab. Je nach Persönlichkeit, gesellschaftlich-kulturellem Hintergrund und Einstellung kann die gleiche Sache für den einen ein tiefes Symbol sein und für den anderen nur ein konkreter Gegenstand (> Sinn). Von Situation zu Situation und von Stimmung zu Stimmung kann ein Symbol auch für einen einzelnen Menschen einmal ergreifend und bewegend und ein anderes Mal scheinbar nichtssagend und leer sein. Diese symbolische Einstellung lässt sich üben und kultivieren und ist ein wesentliches Element des Schöpferischen (> Kreativität) und > Religiösen.
"Über ihn (den Intellekt, Anm. d. Verf.]]) hinaus aber gibt es ein Denken in urtümlichen Bildern, in Symbolen, die älter sind als der historische Mensch, ihm seit Urzeiten angeboren und alle Generationen überdauernd, ewig lebendig die Untergründe unserer Seele erfüllend. Volles Leben ist nur in Übereinstimmung mit ihnen möglich, Weisheit ist Rückkehr zu ihnen." (Jung, GW 8, § 794)
Literatur: Kast, V. (1990): Die Dynamik der Symbole; Müller, L., Knoll, D. (1998): Ins Innere der Dinge schauen
Autor: L. Müller