Regression
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Definition: Die Regression (lat. regressus: Rückkehr, Rückgang, Rückzug) stellt in Wechselwirkung mit der > Progression ein wesentliches Element der Theorie der psychischen Energetik (> Energie) und der > Libido dar. Regression kann definiert werden als ein Anpassungsprozess an die Bedingungen der seelischen Innenwelt (> Anpassung) oder auch als Abwehrvorgang (> Abwehr). Allgemein lässt sich Regression als ein Prozess der seelischen Regeneration verstehen, ein inneres Kräfteschöpfen, das vorübergehend als Innehalten, Rückzug, Stagnation der Entwicklung oder Einschränkung erlebt werden kann, oft aber auch einer wesentlichen Weiterentwicklung, der Progression, vorausgeht. Rückzug, Innehalten, auch Rückblick halten sind menschliche Verhaltensmuster, die dem Schutz des Organismus dienen, lebenserhaltend und sinnvoll sein können.
Information: Im Zusammenleben mit Kindern ist der Wechsel von regressiven und progressiven Phasen etwas Alltägliches (> Entwicklungspsychologie). Etwa wechselt Nähesuchen auf dem Schoß der > Eltern mit Phasen ab, in denen das Kind entdeckend auf die Welt zugeht. C. G. Jung ist der Ansicht, dass Reifung und > Individuation (> Individuationsprozess) in ihrem gesamten Verlauf von Regressionen begleitet sind und durch diese auch gefördert werden. Hingegen wird der, von S. Freud aus der Physiologie und Neurophysiologie entlehnte, Begriff der Regression in der klassischen Psychoanalyse vorrangig als Rückschritt auf frühere Entwicklungsstufen und als ein > Abwehrmechanismus des Ich gegen den Anspruch von nicht bewältigbaren Triebregungen bzw. Anforderungen des Erwachsenenlebens verstanden. Die moderne Psychoanalyse hat Freuds Sicht teilweise revidiert (z. B: Balint 1960, 1970]]) Seither wird auch in der > [[Psychoanalyse zwischen positiver Regression, die in einen Neubeginn ermöglicht und negativer oder maligner Regression unterschieden.
Jung setzt sich erstmals in „Symbole und Wandlung der Libido“ (vgl. GW 5]]) ausführlich mit der positiven Bedeutung der Regression auseinander. Er ist der Ansicht, dass die durch den therapeutischen Prozess hervorgerufene Regression eine wichtige Phase in der analytischen Behandlung darstellt, ohne die keine Weiterentwicklung stattfinden könne. Daher müsse die Regression durch die > [[Analyse gefördert werden, sogar bis zur Erreichung einer "vorgeburtlichen Ebene". Die Libido müsse sich regressiv zurückwenden, nach innen kehren (> Introversion), damit sich eine schöpferische Beziehung zwischen dem]] > Bewussten und dem > [[Unbewussten herstellt. Gleichzeitig betont Jung auch die Gefahr, die in der Regression liegen kann, wenn daraus ein passives Verharren wird, wenn Ablösung von den Elternimagines (> Imago > Inzest, uroborischer > Inzest matriarchaler > Inzest > Inzestmotiv) gemieden wird oder wenn sie sich in einer passiv-regressiven, infantilen Haltung der Verantwortungslosigkeit äußert.
Jung erweiterte Freuds Auffassung vom defensiven Charakter der Regression, indem er die Inzestfantasie (> Inzestmotiv, symbolisch) als Regression zu den Elternimagines, bzw. als Regression ins eigene Unbewusste auf der Suche nach Ganzheit, Gegensatzvereinigung und Wiedergeburt verstand. Das "inzestuöse" Begehren ziele nicht auf die geschlechtliche Vereinigung mit der Mutter ab, sondern sei von der Sehnsucht bestimmt, wieder zum Kind zu werden, in die Mutter hinein zu gelangen und neu geboren zu werden. Die Inzest- und Mutterleibsfantasie stellt nach Jung "ein Versinken der Libido ins Unbewusste" dar. Sie kann ebenso persönliche, infantile Reaktionen, Affekte, Meinungen und Einstellungen provozieren wie auch archetypische > Archetyp) beleben, denen kompensierende (> Kompensation > Selbstregulation) und heilende Bedeutung (> Heilen) zukommt. In und durch die Arbeit am Symbol kann die regressive Libido in die Wandlung führen: "Die Regression führt scheinbar zur Mutter zurück, diese ist aber in Wirklichkeit das Tor, das sich ins Unbewusste, ins "Reich der Mütter" öffnet. Die Regression macht nämlich, wenn man sie nicht stört, bei der Mutter keineswegs halt, sondern geht über diese zurück zu einem sozusagen pränatalen 'Ewig Weiblichen', d. h. zur Urwelt der archetypischen Möglichkeiten." (Jung, GW 5, § 508f) Dort findet sich "der Keim der Ganzheit".
In seinen energetischen Vorstellungen definiert Jung die Regression als eine rückläufige Bewegung der Libido, als "Anpassung an die Bedingungen der Innenwelt" im Gegensatz zur Progression. Diese wird als psychischer Anpassungsprozess an die Anforderungen der Realität und der Umweltbedingungen verstanden. Wenn im individuellen Lebensprozess Hindernisse und Schwierigkeiten auftreten, die mit den vorhandenen Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten nicht bewältigt werden können, hört die Progression auf und es kommt zu einer regressiven Gegenbewegung. Der Rhythmus von Regression und Progression kann auch mit den Zyklen von schöpferischen Prozessen verglichen werden (> Kreativität > Kreativität, Phasen der). In der „Nachtmeerfahrt des Sonnenhelden“ (> Heldenmythos > Heros-Prinzip und den "Walfischdrachenmythen" (> Drachenkampf) bildet sich für Jung das Prinzip von Progression und Regression ab: "Der Held ist der symbolische Darsteller der Libidobewegung. Das Eingehen in den Drachen ist die regressive Richtung. Die Fahrt nach Osten (die Nachtmeerfahrt) und die dabei eintretenden Ereignisse symbolisieren die Anpassungsleistungen gegenüber den Bedingungen der psychischen Innenwelt. Das völlige Verschlungensein und Verschwinden des Helden im Bauche des Drachen stellt die völlige Abkehr der Einstellung von der Außenwelt dar. Die Bewältigung des Monstrums von innen ist die Anpassungsleistung an die Bedingungen der Innenwelt. Das Herauskommen aus dem Leibe, was zugleich ein Sonnenaufgang ist, ist der Wiederbeginn der Progression." (Jung, GW 8, § 68)
Literatur: Balint, M. (1970): Therapeutische Aspekte der Regression; Kast, V. (1987): Der schöpferische Sprung; Wunderli, J. (1980): Stirb und Werde; Seifert, T. (1981): Lebensperspektiven der Psychologie.
Autor: A. Kuptz-Klimpel