Drachenkampf

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Keyword: Drachenkampf

Links: > Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Differenzierung > Heldenmythos > Heros-Prinzip > Individuation > Integration

Definition: Der Drachenkampf ist ein archetypisches Motiv innerhalb des > Heldenmythos (> Heros-Prinzip). In – meist abendländischen – Mythen und Märchen wird der Drache oder die große Schlange mit Leere, Abgrund, Tiefe, Chaos, Dunkelheit, Bedrohung, Katastrophen, Weltuntergang, mit ekel- und schreckenerregender Gestalt, Gift, Feuer und Tod verbunden. Der Sonnenuntergang wurde in manchen frühen Kulturen als ein Heldenkampf der Sonne und des Tages gegen die verschlingende Dunkelheit des Nacht-Drachens erlebt und die Wiederkehr der Sonne am Morgen war Ausdruck des Sieges über diesen Drachen.

Information: Allgemein gesehen ist der Drache eine Projektionsgestalt der Menschheit für deren Erleben einer dauernden Gefährdung sowohl in der Außenwelt wie auch in der psychischen Innenwelt. Im Drachen hat sich alles in einer Gestalt verbildlicht und verdichtet, was der Mensch sich als Ausdruck seiner existenziellen Ängste vorstellen konnte. Deshalb weisen auch andere schreckenerregende Gestalten der menschlichen Fantasie, die Dämonen, Teufel, Hexen, böse Gottheiten, die Horrorfiguren und Ungeheuer, die Aliens aus dem Weltall, meist enge Parallelen zum Drachenbild auf. Bei E. Neumann (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien) bezieht sich der Drachenkampf auf die Auseinandersetzung zwischen dem Ich-Bewusstsein und dem Unbewussten, auf die Ablösung aus der uroborischen Ursprungssituation und die Ablösung aus der Macht der Eltern-Archetypen. In der > Alchemie repräsentiert der Drache das anfängliche > Chaos, die „Ur-Materie“ (prima materia), das Unbewusste, aus der, durch den Prozess des Lösens und Verbindens („solve et coagula“) der Stein der Weisen (> Stein der Weisen (Lapis philosophorum), das höhere Bewusstsein, gewonnen werden soll.

Hinter dem, was als Chaos, Unbekanntes und Fremdes gefürchtet und abgewertet wird, stehen aber nach Auffassung der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) häufig neue Entwicklungsmöglichkeiten, latente, unbewusste Aspekte des > Selbst, die noch nicht vertraut sind. Die Heldenerzählungen vom Drachenkampf ermutigen, sich der Angst vor dem Unbekannten zu stellen und den Drachenkampf immer wieder zu wagen, damit das Hemmende überwunden, „der Schatz“ gehoben, das Neue gefunden werden und das Leben weitergehen kann. Der Drachenkampf symbolisiert somit die > Differenzierung unbewusster Inhalte und deren > Integration in die bewusste Persönlichkeit, zu der immer auch das Aushalten von Angst gehört. Ängste (> Angst) aber sind natürliche, oft hilfreiche und sinnvolle Reaktionen, die zur gesunden Lebensorientierung nötig sind. Der beste Umgang mit ihnen ist deshalb nicht ihre Unterdrückung oder Abtötung, sondern die aktive Auseinandersetzung mit ihnen und den mit ihnen verbundenen, befürchteten Inhalten. Dann können die „Drachen“ auch ihre positiven, förderlichen Aspekte zeigen, wie sie in den Vorstellungen Indiens, Chinas und Japans zu finden sind. Dort ist der Drache ein Symbol der Fruchtbarkeit und schöpferischen Kraft, des langen Lebens, des Glücks und der Weisheit.

Literatur: Müller, L. (1987): Der Held; Neumann, E. (1949 a): Ursprungsgeschichte des Bewusstseins; Steffen, U. (1984): Drachenkampf.

Autor: L. Müller