Typologie

Aus aip-lexikon.com
Version vom 17. Juli 2024, 13:28 Uhr von de>Anlumue (1 Version importiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Keyword: Typologie

Links: > Denken > Empfinden > Extraversion > Fühlen > Introversion > Intuition / Intuitive Funktion > MBTI > Orientierungsfunktionen

Definition: Mit der Beschreibung der psychologischen Typen (vgl. Jung, GW 6]]) hat C. G. Jung eine Typenlehre entwickelt, bei der er den Einstellungstyp (> Extraversion > Introversion) als erste Ordnungskategorie setzt und dem extravertierten oder introvertierten Einstellungstyp dann jeweils eine Orientierungsfunktion als Hauptfunktion, den Funktionstypus, zuordnet. Dabei ist der Funktionstyp dem Einstellungstyp untergeordnet. Unter Hauptfunktion versteht Jung diejenige Funktion, die im Bewusstsein eines Menschen am besten entwickelt und führend ist. Die polar gegenüberliegende Funktion verbleibt weitgehend unbewusst bzw. ist mit unbewusstem Material kontaminiert und hat - bezogen auf Extraversion und Introversion - eine entgegengerichtete Einstellung. So gelangt Jung zu acht psychologischen Typen, vier extravertierte und vier introvertierte mit jeweils einer der vier Orientierungsfunktionen als Hauptfunktion, z. B. extravertierter Fühltyp, introvertierter Intuitionstyp, usw.

Information: In der historischen Entwicklung der Typologie hat Jung zunächst das Denken mit Introversion und das Fühlen mit Extraversion gleichgesetzt, und versucht später die extravertierte und introvertierte Einstellung unabhängig von den Orientierungfunktionen zu betrachten, was er in der praktischen Deskription der Ausprägungstypen aber nicht vollständig durchführt. Ferner beschreibt Jung den phänomenologischen Gesamttypus und weniger die einzelne Orientierungsfunktion in der jeweiligen introvertierten oder extravertierten Einstellung. Der Gray-Wheelwright-Test stellt den Versuch dar, mit Hilfe eines Fragebogens durch Selbstrating den eigenen Typus zu bestimmen. (> Testverfahren, projektive)

Sehr bedeutsam ist diese Typologie für das Verständnis der > Individuation. Jung zeigt auf, dass im Verlaufe des Individuationsprozesses schrittweise die weniger gut differenzierten und unbewussteren Funktionen ins Bewusstsein gehoben werden. Und zwar verläuft der Weg im allgemeinen von der Hauptfunktion über die zweitbest entwickelte Funktion (1. Hilfsfunktion) zur drittbest entwickelten Funktion (2. Hilfsfunktion) und schließlich zur - der Hauptfunktion polar gegenüberliegenden - am wenigsten bewussten Funktion, die Jung "inferior" nennt (> Funktion, inferiore). Z. B. ist bei einer extravertierten Empfindungsfunktion aufgrund der Polarität als Hauptfunktion dann das introvertierte > Intuieren die "minderwertige" Funktion. Besonders in der zweiten Lebenshälfte (> Lebenswende) ergibt sich die innere Entwicklungsnotwendigkeit, die bisher vernachlässigte Einstellung und die unbewussten Funktionen zu entwickeln.

In der Konkretisierung und Weiterentwicklung der Typologie (vgl. Jacobi 1971, Eschenbach 1996, Adam 2003) werden die Orientierungsfunktionen mit einer der beiden Einstellungen fest gekoppelt und eine strikte Polaritätsbeziehung zwischen den Ichfunktionen eingeführt; z. B. ist auf der Urteilsachse bei extravertiertem Denken das Fühlen stets introvertiert. Das neue Konzept rückt ab von Einstellungstypus und Hauptfunktion. Es stellt die, alle Orientierungsfunktionen einbeziehende, Funktionskonstellation in den Vordergrund, von denen es vier grundsätzlich verschiedene gibt. Hierbei kann z. B. (neben weiteren drei Möglichkeiten) ein Mensch anlagemäßig die Konstellation extravertiertes Denken/introvertieres Fühlen; extravertiertes Empfinden/introvertiertes Intuieren haben. Die vier Funktionskonstellationen stellen vier Grundmuster dar, entsprechend der Verteilung der extravertierten und introvertierten Funktionen bei einem Menschen, wobei sich jeder einzelne einem dieser vier Anlagebilder, die im äußeren Erscheinungsbild einen variationsreichen Ausdruck finden, zuordnen kann. Dieses Modell wird der vielfältigen psychologischen Phänomenologie der Menschen gut gerecht, indem differenziert und wertfrei Einstellung und Entwicklungsgrad aller Funktionen betrachtet werden können. Aus dieser Funktionenlehre ergeben sich weitreichende Möglichkeiten für]] > [[Diagnostik und Therapie. In der Erfassung des jeweiligen Funktionsbildes kann besonders gut anhand von Träumen das Traum-Ich herangezogen werden, das die gleiche Funktionskonstellation trägt wie das Wach-Ich. Therapeutische Folgerungen und Anhaltspunkte für die Persönlichkeitsdifferenzierung (> Persönlichkeit > Differenzierung) ergeben sich aus der Analyse der Orientierungsfunktionen und ihres Entwicklungsniveaus. Außerdem bietet das weiterentwickelte Konzept die Möglichkeit, neurotische Störungen und Übertragungs-Gegenübertragungs-Vorgänge von einer zusätzlichen Warte aus zu verstehen. (Eschenbach 1996, Adam 2003). 

Literatur: Adam, K.-U. (2003): Therapeutisches Arbeiten mit dem Ich; Adam, K.-U. (1992]]): Ichfunktionen und unbewusstes Malen; Eschenbach, U. (1996): Der Ich-Komplex und sein Arbeitsteam.

Autor: K.-U. Adam