Flow
Keyword: Flow
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Definition: Bei seinen Untersuchungen zum Erleben von Glück ist der amerikanische Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi auf ein Phänomen gestoßen, das er „Flow“ genannt hat. Flow (engl.: Fließen) ist eine Bezeichnung für das Gefühl scheinbar mühelos fließender Bewegung, das man erleben kann, wenn man ganz in einer schöpferischen Handlung aufgeht. Unter bestimmten günstigen Bedingungen werden Handeln und Bewusstsein eins.
Information: Das Ich-Bewusstsein verschwindet, man ist nur noch mit allen Sinnen und allen Gedanken auf die Handlung und das Ziel ausgerichtet. Man ist so in die Tätigkeit vertieft, dass sie spontan und fast wie von selbst verläuft. Hohe Konzentration, Sammlung und Selbstversunkenheit verbinden sich mit Engagement, > Freude und beglückendem Erfolgserleben. Es ist eine Versunkenheit in das eigene Tun, obwohl es mit hohem Energieeinsatz und hoher Leistung verbunden sein kann. Die Zeitwahrnehmung ist verändert. Es entsteht oft ein Erleben von Zeitlosigkeit, Ewigkeit, Gegenwärtigkeit oder auch der Eindruck des sehr schnellen Verstreichens der Zeit mit dem nachfolgenden Bedauern, dass es schon wieder vorbei ist. Die üblichen Grenzen des Selbsterlebens können dabei erweitert und ausgedehnt sein bis zu einem Erleben von Einheit und Verschmelzung mit der Situation, der Umwelt, den Mitmenschen zu einem großen, gemeinsamen Organismus (> Einheitswirklichkeit). Solche Aktivitäten, die Csikszentmihalyi „autotelisch“ nennt – das meint eine sich selbst genügende Aktivität, die ihr eigenes Ziel ist, die in sich selbst befriedigend, lohnend, motivierend ist – hat er besonders bei Künstlern, Sportlern (z. B. Bergsteigern, Tänzern, Schachspielern), Wissenschaftlern, Chirurgen untersucht. Sie treten aber auch bei ganz alltäglichen Handlungen auf (z. B. beim Lesen, beim Kochen, beim geselligen Zusammensein mit Freunden, bei Hobbys etc.), wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Damit eine Handlung in einen Flowzustand übergehen kann, muss sie 1. eine gewisse Herausforderung darstellen, 2. ein deutliches Ziel haben und 3. in gewissem Rahmen überschaubar und geordnet sein. Die Tiefe der konzentrierten Erfahrung hängt mit der Klarheit der Ziele und der unmittelbaren Rückmeldung zusammen, ob das Ziel erreicht werden kann. Wenn die Aufgabe zu leicht ist, dann entsteht > Langeweile, wenn sie zu schwer ist, erzeugt sie Versagensangst. Sie muss bestimmte Fähigkeiten fordern, über die man verfügt und die im Laufe der Erfahrung weiterentwickelt werden können. Sie muss es ermöglichen, lernen und wachsen, fähiger und geschickter werden zu können. Die Summe dieser Erfahrungen kann dann ein tiefes Gefühl der Befriedigung auslösen, welches auch ein gewisses Suchtpotenzial enthält.
Die mit dem Flow-Erleben verbundenen Einstellungen haben eine nahe Beziehung zu dem, was C. G. Jung als Geschehen-Lassen bezeichnet, was bedeutet, sich in einem schöpferischen Prozess von der, sich selbst regulierenden, Dynamik des > Selbst bestimmen zu lassen. “Man muss geschehen lassen können. Ich habe vom Osten gelernt, was er mit Wu Wei ausdrückt, nämlich, das Nicht-Tun (nicht Nichtstun), das Lassen. Auch andere haben das erkannt, so Meister Eckhart, wenn er davon spricht, sich zu lassen. Die dunkle Stelle, an die man anstößt, ist ja nicht leer, sondern die spendende Mutter, die Bilder und der Same. Wenn die Oberfläche abgeräumt ist, kann es aus der Tiefe wachsen.“ (Jung, Jacobi, 1971, S. 319)
Flow-Erfahrungen können auch während eines intensiven psychotherapeutischen Prozesses (> Beziehung, therapeutische > Beziehungsquaternio) auftreten, in dem es zwischen den Beteiligten „fließt“, Zeit und Raum vorübergehend vergessen werden und beide bereichert aus dem schöpferischen Dialog zurückkehren. Auch das Ziel der > Individuation wird von Jung wie von anderen Psychologen nicht als eine statischer Zustand beschrieben, sondern als eine Bereitschaft, sich einem fortwährenden wandelnden lebendigen Prozess zu öffnen und anzuvertrauen. “Die Wirkung, auf die ich hinziele, ist die Hervorbringung eines seelischen Zustandes, in welchem mein Patient anfängt, mit seinem Wesen zu experimentieren, wo nichts mehr für immer gegeben und hoffnungslos versteinert ist, eines Zustandes der Flüssigkeit, der Veränderung und des Werdens.“ (Jung, GW 16, § 99)
Literatur: Csikszentmihalyi, M. (1992): Flow. Das Geheimnis des Glücks; Müller, L. (2001): Lebe dein Bestes.
Autor: L. Müller