Instinkt
Keyword: Instinkt
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Definition: Instinkt (lat. instinguere: anstacheln, antreiben; instinctus naturae: Anreizung, Antreibung der Natur, Naturtrieb) bezeichnet eine angeborene, keiner Übung bedürfende Reaktionsbereitschaft und Verhaltensweise der Triebsphäre, meist im Interesse der Art- und Selbsterhaltung. In der Verhaltensforschung geht man davon aus, dass Tiere in der Lage sind, manchmal sehr komplexe Verhaltensweisen zu entwickeln, um sich an eine äußere Situation anzupassen, ohne dass das durch Ausprobieren gelernt werden muss. Außerdem können sie sehr komplexe Reaktionsmuster auf Reize entfalten, vor allem im Bereich Nahrungsaufnahme, Aggression, Paarung und Brutpflege. Vermutlich werden die Verhaltensmuster im Laufe der Evolution durch natürliche Selektion weiterentwickelt und verfeinert. Während man teilweise zwischen erlerntem und instinktivem Instinktverhalten unterscheidet, geht man vor allem in der neueren Verhaltensforschung (> Ethologie) davon aus, dass > Lernen und Instinkt untrennbar miteinander verbunden sind.
Information: U. a. die Beobachtungen in der > Säuglingsforschung, wie auch die Erkenntnisse der Evolutionären Psychologie (> Evolutionäre Psychologie) wie der > Hirnforschung lassen vermuten, dass das Archetypenkonzept der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie > Archetyp) von den angeborenen Reaktionsbereitschaften richtige Phänomene erfasst. In C. G. Jungs Verwendung des Instinktbegriffs und seinen Ausführungen geht es teilweise um den Instinkt der Verhaltensforscher, er spricht dann auch von "pattern of behaviour", manchmal spricht er auch von Instinkt, wenn er sich auf S. Freuds Triebtheorie bezieht. Trieb in diesem Sinne meint eher ein Bedürfnis, das nach Befriedigung strebt und sich in einer Handlung entlädt. Dieser Begriff des Triebes wird heute im Sinne des Antriebes oder der Ursache menschlicher Verhaltensweisen und Bedürfnisse (allgemeiner von Organismen) meist als Bedürfnis, Motivation oder Motivationssystem bezeichnet. Eine der bekannteren Motivationstheorien ist die von Maslow aufgestellte > Bedürfnishierarchie. Die Vermutung von Behaviouristen und auch von Freud, dass ein Organismus danach strebe, einen möglichst reizarmen oder ausgeglichenen Zustand zu erhalten (> Thanatos) ist von der Motivationsforschung in den letzten Jahrzehnten wesentlich erweitert worden, u. a. in dem Sinne, dass Organismen eher danach streben, einen optimalen Zustand zwischen Erregung und Ruhezustand anzustreben. Damit kann auch die Vorstellung Jungs vom psychischen Energiehaushalt (> Energie > Enantiodromie > Libido) in Übereinstimmung gebracht werden. In der > Ethologie ist der Trieb-Begriff durch die Begriffe Handlungsbereitschaft oder Appetenz (vgl. Eibl-Eibelsfeld 1999) bzw. Motivation ersetzt, der Instinkt-Begriff durch den der Erbkoordination.
C. G. Jung setzt sich zum einen mit der Frage des Verhältnisses von Trieb und Wille auseinander und versteht den Willen als disponible Energie, die dem Ich-Bewusstsein zur Verfügung steht. Zum anderen spielt die Beziehung zwischen Archetyp und Instinkt bzw. pattern of behaviour eine große Rolle in seiner Auseinandersetzung mit dem Archetyp. Im pattern of behaviour sieht Jung Trieb und archaischen Modus zusammentreffen. Jung vermutet, dass es keinen amorphen Trieb gebe, sondern dass Triebe immer an apriorische Bilder oder Situationen, d. h. an einen bestimmten Typus gebunden sind. Die pattern of behaviour sind "nicht nur Relikte oder noch vorhandene Reste früherer Funktionsweisen, sondern immer vorhandene, biologisch unerlässliche Regulatoren der Triebsphäre, deren Wirksamkeit sich durch den ganzen Bereich der Psyche erstreckt und erst dort ihre Unbedingtheit einbüßt, wo sie von der relativen Freiheit des Willens beschränkt wird. Das Bild stellt den Sinn des Triebes dar." (Jung, GW 8, § 398) Auch für den Menschen gebe es solche apriorische Instinkttypen, eben den Archetypus, der zugleich dynamisch-triebhaft wie auch bildhaft-geistig ist. Alles, was der Mensch an psychischen Phänomenen hervorbringe, sei, so Jung, zuerst in 'naturhafter Unbewusstheit' und d. h. instinkthaft oder triebhaft vorhanden. Aber das Bewusstsein ermögliche Triebhemmungen als "geordnete Anpassungsleistungen" und mache den Menschen zum Menschen. (vgl. Jung, GW 8, § 412)
Literatur: Eibl-Eibesfeldt, I. (1999): Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung; Obrist, W. (1990): Archetypen; Obrist, W. (1999): Die Natur - Quelle von Ethik und Sinn.
Autor: S. Prager