Schöpferisches

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Keyword: Schöpferisches

Links: > Eros-Prinzip > Finalität > Funktion, transzendente > Kreativität > Kreativität, Phasen der > Traum > Schönes

Definition: Der Begriff des Schöpferischen wird in der Umgangssprache weitgehend synonym mit]] > [[Kreativität (> Kreativität, Phasen der) verwendet. Bereits im Sprachbild des Schöpferischen ist an Akte des Auf- und Annehmens zu denken und an die Empfänglichkeit des Menschen für Inspirationen und schöpferische Impulse aus den tiefen Quellen des Unbewussten. In jedem therapeutischen Prozess, der auf die Ganzwerdung der Person und die Heilung der Seele ausgerichtet ist, ist das Schöpferisches ein grundlegendes Agens und eine heilende Lebensenergie. Während in der Er-Schöpfung und Depression die Lebensenergien durch die psychoneurotischen Symptome (> Neurose) absorbiert werden, können die psychischen Lebensenergien durch das kreative Tun in positive Bahnen gelenkt werden.

Information: Schöpferisches ist in den Werken von C. G. Jung und E. Neumann von grundlegender Bedeutung. Die Entfaltung der schöpferischen Kräfte ist eines der Hauptziele der > Individuation und der Analytischen Psychotherapie. In seiner letzten Arbeit beschreibt Jung diese Potenziale wie folgt: "Es bleibt eine Tatsache, dass zusätzlich zu Erinnerungen aus weit entfernter bewusster Vergangenheit gänzlich neue Gedanken und schöpferische Ideen aus dem Unbewussten hervorkommen können - Gedanken und Ideen, die nie zuvor bewusst gewesen sind. Sie wachsen aus den dunklen Tiefen des Geistes wie Lotusblumen und bilden einen äußerst wichtigen Bestandteil der unbewussten Psyche. Wir sehen dies im täglichen Leben, wenn Probleme manchmal durch die erstaunlichsten neuen Vorschläge gelöst werden. Viele Künstler, Philosophen und sogar Naturwissenschaftler verdanken einige ihrer besten Ideen solchen Inspirationen, die plötzlich aus dem Unbewussten kommen. Die Fähigkeit, eine derartige Ader mit so reichhaltigem Material zu entdecken und wirksam in Philosophie, Literatur, Musik oder naturwissenschaftliche Entdeckung zu übertragen, ist eines der Kennzeichen dessen, was man gewöhnlich als Genie bezeichnet." (Jung, 1968, S. 37)

Die Bedeutung des Schöpferischen in Leben und Werk von Jung würdigt M. von Franz in ihrer Biografie über Jung (vgl. v. Franz, 1972), indem sie dafür das Sprachbild von dem "mitredenden Unbewussten" kreiert und schreibt, dass das mitredende Unbewusste sich unter anderem in Jungs besonderer Art geäußert habe, die Urbedeutungen der Wörter wieder aufleben und mit dem wissenschaftlichen Argument auch das Gefühl und das bildhafte Element mit einfließen zu lassen. 

An anderer Stelle spricht von Franz von dem "schöpferischen Eros" (> Eros-Prinzip) als jenem anspruchsvollen Geist, der Jung dazu getrieben habe, der Kreativität und den schöpferischen Impulsen aus dem Unbewussten Ausdruck zu verleihen. So bekennt Jung selber am Ende seines Lebens: "Ich hatte Mühe, mich neben meinen Gedanken zu behaupten. Es war ein Dämon in mir, er überflügelte mich, und wenn ich rücksichtslos war, so darum, weil ich vom Dämon gedrängt wurde. Ich konnte mich nie aufhalten beim einmal Erreichten. Ich musste weiter eilen, um meine Vision einzuholen. " (Jung, Jaffé, 1962, S. 358).

Viele Menschen können das Unbewusste als Quelle des Schöpferischen in ihren Träumen erleben. Durch die Beachtung der schöpferischen Prozesse in den Träumen und vor allem durch die > Integration der schöpferischen Heilkräfte der Seele in das ganzheitliche Erleben der Person (> Ganzheit), kann das persönliche Wachstum gefördert werden, die Beziehungsfähigkeit erweitert und die Liebesfähigkeit gesteigert werden. Letztlich würde daraus auch kollektiv mehr Zufriedenheit resultieren. In jedem großen Traum mit archetypischen Symbolen kann eine "creatio continua", ein fortwährender Schöpfungsakt in der Zeit erfahren werden. In allen Symbolen mit einer stärkeren numinosen Energie (> Numinoses) wird das Schöpferisches unmittelbar spürbar. Das Schöpferisches gleicht einem "Quantensprung" in der Seele, wodurch sich in der Tiefe der Person ein Impuls zur]] > Wandlung und zum Wachstum ergibt, welcher zur ]] > [[Heilung und > [[Ganzwerdung beitragen kann.

Literatur: Hark, H. (2000): Die Heilkraft der Träume; Jaffé, A. (1982 b): Die Einheitswirklichkeit und das Schöpferische; Kast, V. (2002): Schöpferisch werden: Wege und Ziele des Individuationsprozesses; Neumann, E. (1954): Kunst und schöpferisches Unbewusstes.

Autor: H. Hark