Suizid

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Keyword: Suizid

Links: > Krise > Neurose > Psychose > Sinn > Thanatos > Wandlung

Definition: Mit Suizid (lat. sui: sich; lat. cidere: töten; Selbsttötung) hat sich in der Analytischen Psychologie insbesondere J. Hillman beschäftigt. In „Selbstmord und seelische Wandlung" (1986) weist er nach, dass der Antrieb zum Suizid einerseits auf einer gehemmten Entwicklung, die überwunden werden muss, andererseits auf einer Unfähigkeit des bewussten Ichs, die geforderte Wandlung in Gang zu setzen oder zu verstehen, beruhen kann. Die Praxis der Analytischen Psychologie hat mit dem Konzept der Begleitung von Wandlungsvorgängen, bzw. der Aufhebung von Blockaden im Bereich dieser Wandlungsvorgänge der therapeutischen Arbeit mit Selbstmordgefährdeten wertvolle Impulse gegeben. Die Erforschung des Todessymbols in Träumen, Mythen, Religionen und Märchen hat deutlich gemacht, dass der Tod (> Thanatos) vom Unbewussten aus als absoluter Wandlungsprozess aufgefasst wird. Es zeigt sich, dass das bewusste Ich den Wandlungsimpuls - er kann sich beispielsweise im Traum darstellen als die Aufgabe einen Fluss zu überqueren - vonseiten des Unbewussten nicht verstehen und ihm nicht folgen kann. Die sich stauenden psychischen Energien verschärfen den Wandlungsimpuls dann bis hin zum Bild des Todes, respektive der Selbstötung. Was dabei sterben muss, ist die verfestigte Haltung des Ich-Bewusstseins.

Information: Die Arbeit mit Suizidalen hat darüber hinaus ergeben, dass der Suizidimpuls von zwei Seiten her auftreten kann: 1. vonseiten des bewussten Ich, das sich am Ende seiner Möglichkeiten sieht und deshalb daran denkt, ich-synton, um das Bild von sich aufrechtzuerhalten, oder dyston als verzweifeltes Scheitern Suizid zu begehen. Diese Suizidimpulse tauchen selten plötzlich auf. Sie sind über längere Zeit begleitbar und im Vergleich zur zweiten Möglichkeit entschieden behandelbarer. 2. vonseiten des Unbewussten brechen aus dem Bereich anderer Komplexe plötzliche Selbstötungsimpulse, auch so genannte erweiterte Selbstmorde, bei denen andere mit in den Tod gerissen werden, ein. Die therapeutische Erfahrung zeigt, dass bewusste oder unbewusste Tötungswünsche von Elternseite dem Kind gegenüber dabei eine Rolle spielen können. Diese Suizidimpulse haben psychotischen Charakter (> Psychose), d. h. archetypisches Material (> Archetyp) besetzt das Ich.

Hilfreich und heilsam kann der Einblick in Träume und Fantasien der Betroffenen (> Container/Contained > Psychosentherapie) und in die Gegenübertragung (> Beziehungsquaternio > Übertragung) sein. Für den Therapeuten erscheint eine Begegnung und Auseinandersetzung mit eigenen suicidalen Seiten hilfreich, wenn nicht notwendig. Eine wesentliche Hilfe in der Therapie von Menschen mit Suizidimpulsen bietet neben der Arbeit mit den Äußerungen des Unbewussten das vorurteilsfreie Gespräch über die Suizidfantasien. Hinter den Suizidfantasien lassen sich oft die grundlegenden Komplexe erkennen und die scheinbar unlösbar aufeinanderprallenden Gegensätze darstellen. So scheint die Hoch-Tief Problematik bei vielen narzisstischen Störungen (> Narzissmus) eine Rolle uu spielen, der > Mutterkomplex nicht selten bei Erhängungen usw.

Literatur: Hillman, J. (1986): Selbstmord und seelische Wandlung.

Autor: G. Sauer