Bewusstseinsforschung
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Definition: Der Vielfalt und Vielschichtigkeit des Phänomens Bewusstsein entspricht die Vielzahl von Ansätzen zu seiner Erforschung. Da die Bewusstseinsforschung sowohl subjektive Merkmale aufweist, als auch eine neuronale Grundlage als gesichert gilt, erscheinen sowohl auf subjektiver Erfahrung beruhende, als auch naturwissenschaftliche Methoden zur Erforschung des Bewusstseins legitim. Die Subjektseite des Bewusstseins wurde im ausgehenden 19. Jh., zuerst durch die deskriptive Psychologie von F. Brentano und W. James, sowie später durch die Phänomenologie (E. Husserl u. a.), Gegenstand der Bewusstseinsforschung. Ausgehend vom systematischen Studium des, in der unmittelbaren Erfahrung, Gegebenen konnten so eine Reihe von qualitativen Merkmalen des Bewusstseins genauer beschrieben, eingegrenzt und definiert werden. Auch die Tiefenpsychologie hat sich im 20. Jahrhundert umfassend und differenziert mit dem Ich-Bewusstsein (> Ich/Ich-Bewusstsein), seiner Entwicklung und seiner Beziehung zum Unbewussten (> Unbewusstes) auseinandergesetzt. Besonders hervorzuheben sind, aus dem Bereich der Analytischen Psychologie, hier die Arbeiten von E. Neumann (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien) und später von W. Obrist (> Bewusstseins-Evolution > Bewusstseinsmutation).
Information: Von naturwissenschaftlicher Seite wurde Bewusstsein im 20. Jh. zunächst Thema bei der Untersuchung von Ausfällen bewusster Wahrnehmung in spezifischen Bereichen (Gesichter-Erkennung, Körperwahrnehmung u. a.) bei Hirngeschädigten. Erforscht wird gegenwärtig u. a. die Fähigkeit einiger Hirngeschädigter zu gezielten Reaktionen trotz fehlenden Bewusstseins des Wahrnehmungsgegenstandes (sog. “Blindsicht“). Neuartige Untersuchungsmethoden können den Stoffwechsel des lebenden Gehirns abbilden (Positronen-Emissions-Tomografie, funktionelle Magnetresonanztomografie) und damit nähere Aufschlüsse über die funktionell, an der Entstehung und Aufrechterhaltung des Bewusstseins, beteiligten Hirnstrukturen bzw. hirnimmanenten Prozesse liefern.
Eine einzelne anatomische Struktur, an welche Bewusstsein gebunden wäre, konnte jedoch nicht gefunden werden. Auch deshalb wird davon ausgegangen, dass es sich beim Bewusstsein um ein globales Integrations- und Übertragungssystem handelt, welches eine spezifische Synchronisierung großer Verbände von Hirnzellen voraussetzt, um die, als Ganzheit erfahrene, subjektive Erlebniswelt zu erzeugen. Wichtig für die Bewusstseinsforschung sind auch die, von philosophischer Seite geführten, (metatheoretischen) Diskussionen über die Konzeptualisierbarkeit von Bewusstsein. Für die > Analytische Psychologie sind – neben der Erforschung veränderter Bewusstseinszustände (> Bewusstseinszustände, veränderte) – Forschungen von Interesse, welche die Hypothese eines Zusammenspiels zwischen Ich-Bewusstsein (> Ich/Ich-Bewusstsein) und Unbewusstem (> Unbewusstes) und seiner kompensatorischen Funktion (> Kompensation), sowie die der archetypischen Determination des Ichs, zu stützen scheinen. Neurophysiologische Experimente zeigen, dass einer Vielzahl von Gedanken und Handlungsambitionen, die wir als bewusst hervorgebracht erleben, Nervenzellerregungen in tieferen Hirnschichten vorangehen und so regulierende Einflüsse, außerhalb der Sphäre des Bewusstseins, unsere Welt maßgeblich mitgestalten.
Literatur: Brecht, F. J. (1948): Bewusstsein und Existenz; Bürgy, F. M. (1994): Vergleichende Studien zum Bewusstseinsbegriff in Philosophie und Tiefenpsychologie am Beispiel J. -P. Sartres und C. G. Jungs; Roth, G. (1994): Das Gehirn und seine Wirklichkeit.
Autor: T. Passie