Stein der Weisen

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Keyword: Stein der Weisen (lat.: Lapis philosophorum)

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Definition: Die Herstellung des Steines der Weisen (Lapis philosophorum) ist die Zielvorstellung des alchemistischen Prozesses (> Alchemie), der symbolisch übereinstimmt mit dem, was in der Analytischen Psychologie als > Individuationsprozess bezeichnet wird. Die Alchemisten beschreiben in einer pseudochemischen Sprache einen natürlichen psychischen Prozess, der zum Stein der Weisen, psychologisch verstanden zur Bewusstheit, zur Ganzheit und zur im Selbst gefestigten Persönlichkeit führt. Von dem zu gewinnenden Stein machen sie die erstaunlichsten widersprüchlichen Aussagen, nämlich dass er belebt sei, als Allheilmittel tauge, dass er Einer und doch Viele sei, billig, verachtet, in den Kot getreten; er sei überall zu finden, vor jedermanns Augen und doch als das Kostbarste verborgen. Er komme aus der Luft und könne ebenso als Fisch aus dem Wasser gezogen werden. Als ein Waise durchstreife er einsam die Welt und er wohne im Innersten des Menschen, mit dem er sterbe, während er zugleich unsterblich sei, vom Wechsel der Zeit unberührt. Er habe tausend Namen, am Beginn des Werkes sei er ein Greis und am Ende ein Knabe (filius philosophorum) (> Puer aeternus) ; er sei ein Vater und sein Sohn, ein weißer Greis (> Senex) und blutvoller roter Sohn, das Zeugende und das Gezeugte. Zugleich sei er Drei und auch Einer, der sich selber tötet und wieder gebiert; er sei unreif und vollständig; Adam habe ihn mit sich aus dem Paradies gebracht. Seine Konsistenz sei wässerig und fest. Er sei ein irdischer Heiland, zugleich göttlicher und menschlicher Natur.

Information: Die symbolische Bedeutung des Steins der Weisen kann nur durch Paradoxa (> Paradoxie) beschrieben werden, weil er wie Gott die complexio oppositorum, Inbegriff der Gegensätze ist, welche die Ganzheit und Vollständigkeit (> Gottesbild > Selbst) ausdrückt. Er ist unum et omnia (eines und alles), innen und außen. Er ist ein Medikament, auch das Gift, ein Drache, ein Basilisk, eine Schlange, ein Salamander, eine Echse, eine Kröte. Er ist das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt (Joh 12, 24), um zahlreiche Frucht zu bringen. Die Herstellung des Steins der Weisen ist wie der Individuationsprozess oder der Weg zur Ganzheit eine longissima via, ein sehr langer Weg (vgl. Jung, GW 12, § 6). Er ist das aurum nostrum (unser Gold, das „philosophische Gold“), nicht das aurum vulgi (gewöhnliche Gold). Er ist die veritas (Wahrheit). Hermes (> Hermetik) sagt, wer diese Medizin äußerlich nimmt, stirbt, wer sie aber innerlich trinkt, lebt und ist fröhlich (qui bibit medicinam extrinsecus, moritur, qui vero intrinsecus, vivit et laetatur, intellige hoc significatum, aus dem Theatrum Chemicum V 58).

C. G. Jung hat dem lapis bei seinem Turm in Bollingen ein Denkmal gesetzt, wie er in seinen Erinnerungen beschreibt, da er für ihn sowohl unbewusste Zielvorstellung wie ewige Gestalt bedeutet. (vgl. Jung, Jaffé, 1962, S. 230)

Literatur: Edinger, E. (1985): Der Weg der Seele; Franz, M. -L. v. (1979): Alchemy; Ribi, A. (1989): Suche nach den eigenen Wurzeln.

Autor: A. Ribi