Integrale Psychologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Integrale-Psychologie

Links: > Bewusstseinsentwicklung > Bewusstseins-Evolution > Integrative Psychologie/Psychotherapie > Prä-Trans-Verwechslung > Quaternität/Quaternio > Transpersonale Psychologie

Definition: Die Integrale Psychologie ist ein Ansatz, mit dem K. Wilber anstrebt, die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aller philosophischen und psychologischen Schulen des Ostens und des Westens, vom Altertum bis zur Neuzeit, in einem umfassenden System darzustellen. Er verwendet für sein Modell gelegentlich die Kurzbezeichnung AQUAL: All - quadrant, all - level (alle Quadranten - alle Ebenen). Unter Ebenen versteht er die verschiedenen Stufen der evolutionären Entwicklung (> Bewusstseinsentwicklung) des Präpersonalen, Personalen und Transpersonalen (Non-Dualen), durch die sich das Selbst-System hindurch entwickelt, unter Quadranten (> Quaternität/Quaternio) vier fundamentale Aspekte einer ganzheitlichen, holistischen Betrachtungsweise der Existenz. Alles lässt sich seinem Modell nach unter der Perspektive der inneren Vorgänge eines Individuums (> Bewusstsein > Geist, > Psyche > Unbewusstes), der äußeren Vorgänge eines Individuums (> Biologie > Gehirn > Körper), der inneren Vorgänge eines Kollektivs (> Bewusstsein, kollektives, > Unbewusstes, kollektives) und der äußeren Vorgänge eines Kollektivs (> Gesellschaft > Kollektiv) beschreiben und auf ihre je eigene Weise auch nach wissenschaftlichen Kriterien untersuchen. Keine. dieser Perspektiven ist wichtiger als die andere, alle gehören zum ganzen Sein (> Einheitswirklichkeit > Unus mundus), bedürfen aber auch ihres speziellen Erkenntnis- und Erfahrungszugangs (z. B. naturwissenschaftlich, psychologisch, transpersonal-religiös, künstlerisch).

Information: Im Rahmen aller Quadranten und Ebenen entwickelt sich das sich selbst organisierende Selbstsystem nach dem Muster von > Identifikation, > Desidentifikation, > Differenzierung und > Integration. Zuerst identifiziert (> Identifikation) sich das Selbst mit einer neuen Ebene oder Struktur (Drehpunkt) und verschmilzt damit, es erfährt und durchlebt diese Ebene. Dann differenziert (> Differenzierung) es seine Erfahrungen aus, relativiert sie, löst sich allmählich von ihr bzw. von seiner überwiegenden Identifizierung (> Desidentifikation), transzendiert sie, und bewegt sich zur nächsthöheren. Danach integriert (> Integration) es idealerweise die vorangegangenen Erfahrungen mit der nächsthöheren Ebene. Auf allen Entwicklungsebenen kann es zu Stillständen, regressiven Rückschritten, Fehlentwicklungen und Pathologien kommen, für deren Therapie dann die verschiedenen therapeutischen Richtungen und Methoden zuständig sein können.

Es ist offensichtlich, dass die Integrale Psychologie von ihren Grundideen sehr viel der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) verdankt, was Wilber an einigen Stellen auch entsprechend würdigt. Er kritisiert aber an der Analytischen Psychologie eine Tendenz zur Verwechslung von Prä- und Transpersonalen (> Prä-Trans-Verwechslung) und eine fehlende differenzierte Ausformulierung der transpersonalen Dimensionen, wie sie beispielsweise in den östlichen Traditionen bekannt sind (> Buddhismus) > Tantrismus). Allerdings bezieht er sich dabei weitgehend auf frühere Formulierungen C. G. Jungs, z. B. bezüglich des Archetypenkonzepts, und berücksichtigt weniger die weiteren Ausarbeitungen anderer Autoren, wie z. B. E. Neumanns. Ausnahme: Die Ursprungsgeschichte des Bewusstseins von E. Neumann (1949 a) hat Wilber in seiner Halbzeit der Evolution (Wilber, 1984) in seinen Bewusstseinsstufen ausführlich einbezogen. Auch leidet sein bisheriger Ansatz an einem Übergewicht des Logos-Prinzips (> Logos-Prinzip) mit seiner Geist- und Bewusstseinsbetonung und einem Mangel des Bios- und Eros-Prinzips (> Bios-Prinzip > Eros-Prinzip), obwohl er diese Dimensionen theoretisch durchaus einbezieht. Symbolisch-bildhaft-emotionales Erleben scheint für ihn nur auf einer relativ frühen Stufe der Bewusstseinsentwicklung wichtig zu sein. Es scheint im weniger bedeutsam zu sein, dass das Bildhaft-Symbolische - je nach Perspektive - vom Präpersonalen bis zum Transpersonalen reicht und dass es letztlich keine Erfahrung gibt, die nicht auch einen solchen symbolisch-bildhaften Aspekt hätte.

Literatur: Wilber, K. (1996): Eros, Kosmos, Logos; Wilber, K. (1998): Naturwissenschaft und Religion - Die Versöhnung von Wissen und Weisheit; Wilber, K. (2000): Integrale Psychologie.

Autor: L. Müller