Buddhismus
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Definition: Der Buddhismus ist eine im 5. od. 6. Jh. v. Chr. von Siddhartha Gautama, dem späteren Buddha in Nordindien (heutiges Süd-Nepal) begründete religiös-philosophische Lehre, die heute zu den großen Weltreligionen mit zwischen 200 und 500 Millionen Mitgliedern gehört. Der Buddhismus geht von den „vier edlen Wahrheiten“ aus: 1) alles Leben ist leidvoll; 2) Ursache des Leidens ist der »Durst«, die Begierde, der Lebenswille; die Menschen bewegen sich in einem Netz von Konventionen und Illusionen, durch das sie die Welt und sich wahrnehmen; 3) die Leiden können überwunden werden durch die Abtötung von Begierden und Leidenschaften (v. a. Gier, Hass und Verblendung); 4) der Weg dazu besteht im edlen achtfachen Pfad: rechte Anschauung und Gesinnung, rechtes Reden, Handeln und Leben, rechtes Streben, Denken und Sich-Versenken. Ziel der Heilung ist die Aufhebung der ichbezogenen Existenz, das endgültige Erlöschen der Lebensillusionen, das Nirwana.
Information: Mit wenigen Ausnahmen, z. B. in seinem Essay über den Zen-Buddhismus als Vorwort zu einem Buch Suzukis (1958), unterschied C. G. Jung nur marginal zwischen den ihm bekannten Lehren von Buddhismus und Hinduismus. Beide erschienen ihm gleichermaßen faszinierend. Er hielt eine längere, verständnis- und liebevolle Beschäftigung mit der fernöstlichen Gedankenwelt für nötig, um sich dem Verständnis des Buddhistischen anzunähern. Im Gegensatz zu den meisten heutigen Zeitgenossen, die sich dem Buddhismus nähern, um Einsichten und Erfahrungen vermittelt zu bekommen, welche ansonsten verborgen blieben, verhielt es sich bei Jung umgekehrt: Er hatte bereits viele seiner fundamentalen Erkenntnisse, wie z. B. über die Natur des Selbst und der Tatsache der Identität der inneren Bilder von Selbst und Gott (> Gottesbild) entdeckt, als ihm die zahlreichen Parallelen zum buddhistischen Gedankengut begegneten. In der Buddha-Natur erkannte er sein Konzept des > Selbst wieder: „Ich verstand das Leben Buddhas als die Wirklichkeit des Selbst, die ein persönliches Leben durchdrungen und für sich in Anspruch genommen hat.“ (Jung, Jaffé, 1962) Er fand sich bestätigt in der buddhistischen Auffassung über die Notwendigkeit der Rücknahme von Projektionen (> Projektion), damit im Prozess der Selbstfindung und > Individuation die Seele in ihrer transpersonalen Natur erkannt werden kann: „Die Seele ist wahrlich nicht klein, sondern die leuchtende Gottheit selbst“ (Jung, GW 11, § 840). Aber auch auf der phänomenologische Ebene taten sich erstaunliche Parallelen auf, als er die frappierenden Gemeinsamkeiten seiner eigenen Kreiszeichnungen mit den tibetisch-buddhistischen Mandala-Darstellungen (> Mandala) wahrnahm und sich bei der Betrachtung seiner Bilder fragen musste: „Warum ist das so chinesisch?“ (Jaffé, 1962, S. 200). Vor allem im Vorwort zu „Die Reden Gotamo Buddhos“ von K. E. Neumann weist Jung dann auf den praktischen Nutzen der buddhistischen Weltanschauung für die konkrete psychotherapeutische Praxis, insbesondere mit schwerer gestörtem Patienten, hin: „In dieser Beziehung nun war mir das Studium buddhistischer Schriften von nicht geringem Nutzen; geben sie doch Anleitung zu einer Objektivierung des Leidens einerseits und zu einer Bewertung von dessen Ursachen andererseits [..] so kann auch der Kranke und Leidende unserer westlichen Kultursphäre, die dem Osten fremd und fast inkommensurabel gegenübersteht, aus der buddhistischen Geisteshaltung beträchtlichen Nutzen ziehen, sofern ihm die dazu nötigen Geisteskräfte zur Verfügung stehen.“ (Jung, GW 11, Anhang, S. 691)
Literatur: Clarke, J. J. (1999): C. G. Jung und der östliche Weg; Wegener-Stratmann, M. (1990): C. G. Jung und der östliche Weg gleiche Titel
Autor: R. T. Vogel