Bewusstseins-Mutation: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Bewusstseins-Mutation

Links: > Bewusstsein > Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Bewusstseins-Evolution

Definition: Wenn man den viel besprochenen Wandel des Weltbilds, der sich während unserer Neuzeit vollzogen hat, nicht nur geistesgeschichtlich betrachtet, sondern unter dem Blickwinkel der > Bewusstseins-Evolution, erweist er sich als Mega-Mutation: als Evolutionsschritt, bei dem das, seit der Steinzeit gültige, archaische Selbst-und Weltverständnis (> Weltsicht, archaische) durch ein evolutionsmäßig höheres, abgelöst worden ist. Dieser phylogenetische Schritt hat sich nach der gleichen Gesetzmäßigkeit vollzogen, welche C. G. Jung bei individuellen (ontogenetischen) psychischen Wandlungsschritten beobachtet und als Gesetz von Gegensatzspannung (> Gegensatz > Polarität) und transzendenter (heute sagt man besser transzendierender) Funktion (> Funktion, transzendente) bezeichnet hat.

Information: Am Ende des Mittelalters bestand, zwischen metaphysischer und physischer Welt, noch keine Gegensatzspannung, weil, während der archaischen Phase, die Bewusstseins-Evolution vor allem auf dem metaphysischen Zweig vorangeschritten war. So war denn das „Wissen“ über die metaphysische Welt hoch differenziert, die Kenntnis des Diesseits jedoch noch rudimentär. Deshalb musste erst einmal die Evolution auf dem physischen Zweig nachgeholt werden. Das geschah durch die, zu Beginn der Neuzeit entstandenen, empirischen Wissenschaften. Deren Voranschreiten bewirkte – als unbeabsichtigte Nebenwirkung – eine schrittweise Entmythisierung von Natur und Geschichte. Als dann, im Zeitalter der Aufklärung, die Philosophen über die Konsequenzen reflektierten, die die Ergebnisse empirischen Forschens für das Selbst-und Weltverständnis hatten, entstand der ideologische > Positivismus bzw. der wissenschaftliche Materialismus (> Materie/Materialismus). Da in den Kirchen gleichzeitig die archaische Weltsicht unbeschadet weitergelebt hatte, bestand am Ende des 19. Jh. s ein Gegensatz zwischen zwei unvereinbaren Welt-und Menschenbildern. Dieser wurde artikuliert als Dilemma zwischen Wissen und Glauben, bzw. zwischen positivistisch- empirischen Wissenschaften einerseits und Theologie andererseits. Nun kann ein Dilemma nicht gelöst, sondern nur überstiegen bzw. transzendiert werden. Transzendiert wurde es auf zweierlei Weise: durch die Kognitionsforschung und Physik, Chemie und Biologie. Die erstere führte – durch die Entdeckung des Unbewussten – zu einem neuen > Menschenbild, die zweite – indem sie die Voraussetzung zum Erarbeiten einer neuen Sicht des objektiv Geistigen (> Geist) schuf – zu einem neuen Weltbild.

Literatur: Obrist, W. (1980): Die Mutation des Bewusstseins; Obrist, W. (2002): Aufsätze.

Autor: W. Obrist