Wiedergeburt: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Wiedergeburt

Links: > Alchemie, Phasen der > Enantiodromie > Kreativität > Kreativität, Phasen der > Krise > Lebenswende > Progression > Regression > Wandlung

Definition: Zu den Formen der Wiedergeburt zählt C. G. Jung neben Metempsychosis (Seelenwanderung) und Reinkarnation (Wiedergeburt, bei der die Kontinuität der Persönlichkeit über die verschiedenen Existenzen erhalten bleibt) auch die Auferstehung, die Wiedergeburt (renovatio) als Erneuerung der Persönlichkeit sowie die Teilnahme an einem Wandlungsprozess, z. B. Messe, im Christentum die Messfeier oder die Eleusinischen Mysterien. (vgl. Jung, GW 9/1) In der Wiedergeburt können zwei Erlebnisse unterschieden werden: 1. die Erfahrung der Transzendenz des Lebens, wenn jemand durch heilige, rituelle Handlungen (> Ritual) oder durch visionäre, mystische Erlebnisse (> [[Mystik]] > Vision) ergriffen und gewandelt wird; 2. Das Erlebnis der > Wandlung durch innere (> Träume) oder äußere Begegnungen, durch > Identifikation mit einer Gruppe oder einem Kulturheros und durch magisch-rituelle (> Magie) oder meditative Praktiken.

Information: In Abgrenzung zu S. Freuds konkretistischer Interpretation des inzestuösen Begehrens (> Inzest > Inzestmotiv, symbolisch) sieht Jung in Inzestfantasien und -wünschen "die Sehnsucht, durch die Rückkehr in den Mutterleib die Wiedergeburt zu erlangen, das heißt unsterblich zu werden wie die Sonne." (Jung, GW 5, § 312) Sonnen- und Wiedergeburtsmythen (> Mythologie) sind Ausdruck der schöpferischen Fantasie, welche analoge Bilder (> Bild > Symbol) zur Mutter (> Mutterarchetyp) erfindet, um die > Libido aus der triebhaften (> Instinkt) in eine geistige Form (> Geist) überzuleiten.

Wiedergeburt wird oft mythologisch als Nachtmeerfahrt versinnbildlicht: das Meer verschlingt die Sonne bzw. den Helden (> Heldenmythos), um ihn aus dem mütterlichen Schoß neu zu gebären. Dieser Mutteraspekt des Wassers koinzidiert hier mit dem des > Unbewussten als Matrix des > Bewusstseins. E. Neumann sieht in der Wiedergeburt ein matriarchales Wandlungsmysterium, indem durch das Eingehen in das Mutter-Gefäß oder Große Runde eine Geistwandlung bzw. -geburt stattfindet (vgl. Neumann, 1949a). Zur vielfältigen Gefäß-Körper-Symbolik zählen vor allem das > Vas hermetis der > Alchemie und der Gral.

In der Baumsymbolik - sie taucht auf u. a. bei Christus, Wotan und im alchemistischen arbor philosophica - verbinden sich > Opfer, Tod (> Thanatos), Wiedergeburt und Weisheit.

Jung sieht die Symbolik der Wiedergeburt auch zusammen mit > Übertragung/Gegenübertrag und therapeutischer Beziehung (> Beziehung, therapeutische). Darin "kommt der wirkliche Mensch an den Tag. Er wird recht eigentlich aus der psychischen Beziehung geboren." (Jung, GW 16, § 420]])

Diskussion: J. Hillmans (1986]]) radikale Auffassung von der Bedeutung des Todeserlebens für die Bewältigung von suicidalen Krisen ist in psychoanalytische Konzepte (vgl. Henseler, 1974) eingeflossen. Für L. Zoja liegt die kulturelle Ursache der Drogensucht im Verlust von initiatorischen Wiedergeburtsriten. (vgl. Zoja, 1986) Reinkarnationstherapeuten sehen in früheren Existenzen auch eine imaginierte (> Imagination) archetypische Erfahrung (vgl. Woolger, 1992]]) oder im kollektiven Unbewussten eine Art Über-Seele, in der alle Leben gespeichert sind. (Vgl. Wendel, York, 1999) Jung interpretiert die Idee von Karma und Wiedergeburt vorsichtig: "Was ich als Resultat meiner Ahnenleben oder als in persönlichen Vorleben erworbenes Karma empfinde, könnte vielleicht eben so gut ein unpersönlicher Archetypus sein." (Jung, Jaffé, 1962, S. 320)

Literatur: Eliade, M. (1961): Das Mysterium der Wiedergeburt; Heisig, D. (1999): Wandlungsprozesse durch die therapeutische Beziehung; Hillman, J. (1986): Selbstmord und seelische Wandlung; Zoja, L. (1986): Sehnsucht nach Wiedergeburt.

Autor: M. Krapp