Ethik, neue: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Ethik, neue
Links: > Böses > Ethik, therapeutische > Ethikleitlinien > Moral > Schatten > Schuldgefühl
Definition: Der Begriff entstammt dem Buch E. Neumanns – Tiefenpsychologie und neue Ethik – (Neumann, 1949b). Neumann, selber nach Israel emigriert, erarbeitet unter dem erschütternden Eindruck von Weltkrieg und Holocaust eine neue Ethik auf der Basis der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie). Die „alte Ethik“ des jüdisch-christlichen Zeitalters habe versagt und sich als unfähig erwiesen, die zerstörerischen Kräfte im Menschen zu bändigen, insbesondere weil sie das Gute und Böse im Menschen spalte und so zu einer Herausverlagerung des Schattens nach außen, auf Sündenböcke und Minderheiten führe. Als Ziel der neuen Ethik müsse daher eine > Synthese der Gegensätze (> Gegensatz), eine Bewusstmachung der positiven und negativen Kräfte sowie deren bewusste Einbeziehung in das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft, angesehen werden. Das neue Individuum müsse nicht „gut“ sein, aber seelisch autonom, gesund und produktiv, damit sei es auch nicht für seelische Infektionen anfällig. Die neue Ethik sei eine „Individuationsethik“, in der das Ideal der Vollkommenheit zugunsten der > Ganzheit geopfert werde und in der die Annahme des Negativen, die Selbstbejahung, die Berücksichtigung des Unbewussten (> Unbewusstes) und damit auch eine Miteinbeziehung des Körpers (> Körper) notwendig sei. Anstatt des alten „Sündenbockpsychologie“ müsse es zum umgekehrten Phänomen kommen, nämlich dem des „stellvertretenden Leidens“. Der Einzelne fungiert sozusagen als container (> Container/Contained), indem er einen Teil der Last des Kollektivs auch in seine eigene Verantwortung hineinnimmt. Er „entgiftet“ und „integriert“ das Böse (> Böses) so zumindest teilweise (vgl. Neumann, 1949, S. 132). Diese Arbeit geschieht durch die individuelle Auseinandersetzung mit dem > Schatten in der eigenen > Persönlichkeit und führt so doch bis in kollektive und religiöse Bereiche hinein, führt zur Auseinandersetzung mit dem Bösen in Gott (> Gottesbild), das zugleich das Böse im Menschen und in der ganzen Menschheit ist.
Information: „Hinter den persönlichen moralischen Problemen des Individuums taucht das moralische Problem des Kollektivs auf, dem das Individuum angehört, und die Bewusstmachung seiner kollektiven Verlogenheiten und Verdrängungen, Zeitbedingtheiten und Insuffizienzen. Als letzte Stufe aber erscheint das moralische Problem der ganzen Menschheit, das zugleich auch das der Gottheit ist. Das moralische Problem überschreitet hier, in der inneren Erfahrung, die Grenze des Persönlichen und weitet sich zum Problem des Bösen in der Menschheit und des Bösen überhaupt, d. h. theologisch formuliert zum Problem des Bösen in Gott. Die neue Ethik entspricht der ursprünglichen Konzeption des Judentums, nach der die Gottheit Licht und Dunkel Gut und Böse geschaffen hat, und in der Gott und Satan nicht voneinander getrennte, sondern miteinander verbundene Aspekte des Numinosen waren.“ (Neumann, 1949 b, S. 137 f.)
Gerade diese Einsicht in den eigenen und den allgemein menschlichen Schatten und in die eigene und die allgemeine menschliche Begrenztheit könne die Menschen zur Solidarität und damit zu einer neuen Ethik führen. Neumann sieht die Frage des Bösen in dieser neuen Ethik insgesamt optimistischer und idealistischer als Jung, für den die dunkle Seite Gottes und das archetypisch Böse auch ein lebenslanges Thema gewesen ist (> Ethik > Gottesbild > Moral > Schatten, archetypischer). Aus einer neuen menschlichen Solidarität heraus könne ein Gefühl der Einheit des Erdballs und aller Völker entstehen und die Geschichte der Zukunft bestimmen, weil die Menschheit, „gepackt von der Eiseskälte des lebensleeren Weltraumes, der sie entgottet, entseelt und entmenscht ungeheuerlich umstarrt“ zusammenrücken müsse. Anstatt Rettung in Gottheiten und Himmel zu projizieren, könnten die Menschen ihre eigene schöpferische Fülle erfahren und dadurch neu ethisch handeln. (vgl. Neumann, 1949 b, S. 137f).
Literatur:
Autor: L. Müller