Langeweile: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Langeweile

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Definition: Langeweile ist eine Emotion der Öde, der Lustlosigkeit, der Leere, des Überdrusses. Der Mensch ist ohne Lebendigkeit, ohne Antrieb, ohne > Motivation zu handeln. Nichts spricht an, keine Empfindungen werden registriert, Überdruss macht sich breit, Trägheit verhindert, dass etwas verändert wird. Die Welt spricht einen nicht an und man ist selber auch für die Welt nicht ansprechend und ansprechbar. Diese Leere weckt Grauen - die Angst vor der Leere -, und muss deshalb abgewehrt werden. Fantasien der Langeweile sind Fantasien des Ekels, der Bedrohung, der Destruktivität, wenn sie überhaupt noch wahrnehmbar sind. In der Langeweile wird die Zeit lang, sie scheint überhaupt nicht zu vergehen - eine lange Weile, die in sich leer ist, erfasst den Menschen und scheint sich geradezu aggressiv auf ihn zu stürzen. Deshalb bemüht man sich, die lange Weile durch irgendeine Kurzweil, durch "Action" abzuwehren.

Information: Langeweile kann sich auch hinter einer Sucht verbergen, auch hinter einem manischen, freudlosen Arbeiten. Die Langeweile kann verstanden werden als Abwesenheit von > Interesse, aber auch als Abwesenheit von Neugier und von > Kreativität. Insofern ist die Langeweile eine sehr interessante Emotion, sie muss in sich ein Interesse haben, das es zu entbergen gilt. Das gelingt, wenn man die Langeweile nicht abwehrt, sondern sich auf sie konzentriert. Lässt man sich auf die Langeweile ein, nimmt man sich Muße für die lange Weile, können plötzlich Einfälle auftauchen. Es werden solche darunter sein, die unpassend sind und die abgewehrt werden, es werden aber auch solche da sein, die erstaunen und es ermöglichen wieder in Kontakt mit sich selber zu kommen. Wenn die Emotion "Interesse" zentrale Selbstanteile weckt, dann ist zu erwarten, dass bei einer Konzentration auf die Langeweile auch zentrale Selbstanteile geweckt werden, sowohl auf der emotionalen als auch auf der kognitiven Ebene. Es gibt viele Gründe für die Langeweile Häufig tritt sie an Übergängen auf, dann nämlich, wenn wichtige Themen zum Abschluss gekommen sind, und etwas Neues noch nicht sichtbar ist. Kinder langweilen sich, wenn ein interessantes Spiel zu einem Ende gekommen ist, und sie sich neu orientieren müssen. In diesen Zusammenhängen hat die Langeweile den Sinn, eine neue Anpassung an sich selbst und auch eine neue Anpassung an die Welt zu schaffen - verbunden mit der Frage nach einer neuen Vision für das eigene Leben. Langeweile regelt also ganz grundsätzlich die Beziehung zu sich selbst, die immer wieder nötig werdende > Anpassung an sich selbst, und auch die Anpassung an die anderen. Das wird möglich, indem man sich den unterdrückten Teilen der Persönlichkeit zuwendet, und die zeigen sich unter anderem in den Komplexen (> Komplex). Langweilt sich der Mensch nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft und existenziell, dann wird das Leben als eine endlose Wiederkehr des gleichen erlebt und es scheint keine Zukunft mehr zu geben. Die Zukunft ist dann die Wiederkunft des schon Gewesenen. Und es gibt auch keinen Wunsch mehr aus der Gegenwart an die Zukunft. Die Langeweile kann dann als depressiver > Affekt verstanden werden, wobei die gehobenen Emotionen nicht mehr erlebbar sind. Diese Versperrung der Zukunft bewirkt aber auch, dass die Vergangenheit unendlich machtvoll wird: Die Vergangenheit greift auf die Zukunft über. Um mit Langeweile umgehen zu können, muss sie erkannt und akzeptiert werden als ein sinnvolles Gefühl, als ein Durchgangsgefühl zu neuen Interessen und damit zu einer neuen Lebendigkeit. Die Langeweile ist die Emotion im Umkreis des > Archetyp der Selbstverwirklichung (> Individuation > Individuationsprozess) im weitesten Sinn und der damit verbundenen Weltgestaltung, die in der Emotion Langeweile schmerzlich entbehrt und angemahnt wird.

keine

Literatur: Kast, V. (2001): Vom Interesse und dem Sinn der Langeweile.

Autor: V. Kast