Moral: Unterschied zwischen den Versionen
de>Anlumue K (1 Version importiert) |
Lutz (Diskussion | Beiträge) K (1 Version importiert) |
(kein Unterschied)
|
Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Moral
Links: > Ethik > Ethik, neue > Ethik, therapeutische > Gewissen > Ideal-Ich > Schuldgefühl > Über-Ich
Definition: Der Begriff der Moral (lat. moralis: sittlich, lat. mores: Sitten) ist nicht leicht von Ethik zu trennen. Ursprünglich ist er auch die lateinische Übersetzung des, aus der griechischen Philosophie kommenden, Begriffs Ethik. Ethik als Wissenschaft und Sittenlehre geht mehr der Frage nach, wie Menschen bestimmte Lebenssituationen richtig beurteilen und darin sittlich handeln können. So ist die Frage der Gentechnologie eine ethische Frage. Ethik beschäftigt sich auch damit, was überhaupt ein sinnvolles Leben sein kann oder sein sollte. Ethik konzentriert sich auf die mögliche Verwirklichung des Guten und sie entwickelt über die Realität hinausgehend Utopien. Während in der Antike die Ethik eher als in der Schöpfung gegeben verstanden wird, ist sie in der Neuzeit, etwa durch Kant und seinen kategorischen Imperativ durch die Vernunft des Menschen zu verwirklichen.
Unter Moral werden dagegen inzwischen mehr die sittlichen Grundregeln verstanden, die der Einzelne für sich und sein Zusammenleben mit anderen annimmt bzw. anerkennt. Daraus resultiert, dass es nicht eine Moral gibt, sondern viele. Das Problem der Moral ist deswegen eng mit der Frage des Gewissens und des Über-Ichs und dem Problem des Schattens (> Schatten > Böses > Schatten, persönlicher > Schatten, archetypischer) verknüpft.
Information: Für Jung ist Moral nicht "gepredigte Moral, die den Menschen von der Zügellosigkeit" zurückhält, für viel wirksamer als diese hält er "die Not, welche Wirklichkeitsgrenzen setzt, die viel überzeugender sind als alle moralischen Grundsätze". (vgl Jung, GW 7, § 28) Die "animalische Triebhaftigkeit" aus der Verdrängung ins Bewusstsein zu holen, hieße deswegen weder, diese zu unterdrücken, noch sie auszuleben, sondern von ihnen nicht mehr überfallen zu werden und sie statt dessen "einem sinnvollen Ganzen einzuordnen": "Wenn die Menschen aber dazu erzogen werden, die Schattenseite ihrer Natur deutlich zu sehen, so ist zu hoffen, dass sie auf diesem Wege auch ihre Mitmenschen besser verstehen und lieben lernen. Eine Abnahme der Heuchelei und eine Zunahme der Selbsterkenntnis können nur gute Folgen haben für die Berücksichtigung des Nächsten; denn nur all zu leicht ist man geneigt, die Unbilligkeit und Vergewaltigung, die man der eigenen Natur antut, auch auf die Mitmenschen zu übertragen.“ (vgl. Jung, GW 7, § 28) Und weiter sagt Jung: "Es ist nämlich nie zu vergessen [..], dass die Moral nicht in Form von Tafeln vom Sinai heruntergebracht und dem Volke aufgenötigt wurde, sondern die Moral ist eine Funktion der menschlichen Seele, die so alt ist wie die Menschheit. Die Moral wird nicht von außen aufgenötigt - man hat sie schließlich a priori in sich selbst; nicht das Gesetz, wohl aber das moralische Wesen, ohne das ein Zusammenleben der menschlichen Sozietät unmöglich wäre." (Jung, GW 7, § 30) Mit dem Erreichen von > Bewusstheit ist dem Menschen auch die Qual der Bewusstheit auferlegt, durch die er um die Relativität seiner eigenen Bewusstheit und seines eigenen Denkens weiß. Dieses Wissen bringt auch unausweichlich den moralischen Konflikt mit sich, der nicht durch Gesetze, Normen und Regeln zu lösen ist.
Ein an kollektiven Moralgesetzen orientiertes Erleben und Verhalten kann bequem sein und dem Menschen helfen, sein tieferes Wissen oder Ahnen zu beruhigen. Die eigentlichen moralischen Probleme beginnen für Jung jenseits des Strafgesetzbuches und dort, wo ein einzelner sich nicht an Autoritäten, Gewohnheiten, Regeln, Normen, Sitten und Gebräuche anlehnen kann. Es geht dann darum, dass das > Individuum sich gegen die Macht und die Verführungskraft der > Kollektivpsyche, d. h. auch gegen die Macht der außen wie innen konstellierten Archetypen (> Archetyp) und Selbst-Symbole (> Selbst) abgrenzen muss. In diesem Prozess muss es auch etwas von sich selber opfern, vielleicht gerade sein moralisches Selbstbewusstsein oder die Illusion eines freien Ich-Willens (> Ich/Ich-Bewusstsein > Determinismus > Wille). Die moralische Frage von gut und böse ist für Jung entsprechend seinem polar-ganzheitlichen Menschenbild ein nicht zu lösendes Kernproblem des Menschen. Das Böse (> Böses) bzw. der Schatten kann nicht ausgeschlossen werden. Das absolut Böse, Zerstörerische in seiner Existenz anzunehmen, bedeutet allerdings nicht, es gut zu heißen oder es zu verharmlosen. Nur wenn es nicht verdrängt, sondern in seiner Existenz angenommen wird, kann sein destruktiver Charakter in einer größeren Ganzheit das rein Böse verlieren.
Literatur:
Autor: A. Müller