Tanz

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Links: > Bewusstseinszustände, veränderte > Ekstase > Einheitswirklichkeit > Eros-Prinzip > Körper > Körpertherapie > Kreativität > Musik > Musiktherapie

Definition: In der Geschichte des Tanzes vom Kult- und Ritualtanz (> Mythos > Religion > Ritual) hin zum Kultur- und Kunsttanz spiegelt sich die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien) wider. Die Erfahrungen mit den unbeherrschbaren und unbeeinflussbaren Kräften und Mächten der Natur außen und innen sind für den Menschen von Anfang an körperliche (> Körper). Der Naturgewalt ohnmächtig ausgesetzt, könnte der Mensch versucht haben, über Gebärden und Rituale eine Beziehung zu ihnen aufzunehmen und sie zu bannen: ein Versuch, sich in das Spiel der Kräfte einzustimmen und auf sie einzuwirken. Der sich ausdrückende tanzende Körper kann als Instrument verstanden werden, mit der unbewussten inneren wie mit der von außen kommenden Macht in Kontakt zu treten, mit ihr zu kommunizieren, sich mit ihr zu verbinden. Über die Trance induzierende Wirkung der meist ekstatischen Tänze kann eine Ganzheitserfahrung (> Ganzheit) mit dem Ursprung und der Einheit des Lebens erfahren werden. Die Tanzenden fügen sich nicht nur ein, sie sind über den Tanz Teil der Schöpfung, Ausdruck der Schöpfung. Die Tänze vermögen die Angst vor den übermächtigen Erscheinungen der Natur, wie des darin erkannten Göttlichen (> Gottesbild), zu bannen und in Begeisterung (> Geister) und > Freude umzuwandeln. In diesem Sinne hat der Tanz in seiner Urgestalt seit jeher sakrale Bedeutung.

Information:Im Laufe der Bewusstseinsentwicklung ist der Tanz zugleich auch ein Medium, über das die > Projektion auf die Übermacht des Außen, der Natur, des Göttlichen zurückgenommen und als eigene schöpferische Potenz integriert werden kann. Das erste Spiegeln der passiv erlebten Naturerfahrungen entwickelt sich über ein Verschmelzen mit der Schöpferkraft zu einem vereinenden Akt der Selbstverwirklichung von Kosmos und Individuum (> unus mundus). Im Kult schreiten die Tanzenden vorgegebene Strukturen ab, die sie im freien Gesten- und Mimenspiel individuell begleiten. Schritte, Wege im Raum und Rhythmen verbinden sich zu einer symbolbildenden Funktion. Der rituelle Tanz besitzt sowohl eine gemeinschaftsbildende und -fördernde Wirkung, und ermöglicht auch eine Hinführung zu einem Erleben von Einheit mit den transzendenten Mächten (> Spiritualität).

Greifen die Kult- und Ritualtänze noch imitierend das Schöpfungsgeschehen auf, weist der getanzte Mythos bereits auf die, sich daraus entwickelnde, Kunstform des Tanztheaters hin. Der Tanz findet nicht mehr an einem sakralen Ort statt, sondern auf der Bühne. Damit verbunden ist auch eine Trennung von Beteiligten und Unbeteiligten. Der Tanz verliert seine Unmittelbarkeit. Das vormals archaische Tanzerleben wird abgespalten (> Spaltung). Volkstänze und Folklore haben aber Spuren der Kult- und Ritualtänze bewahren können. Die Tänze des Barock befreien sich vom Mythos und stellen die Wechselbeziehung von Zeit, Raum und Mensch in den Mittelpunkt. Kreisen die Kult- und Ritualtänze um eine kosmische Mitte und vermitteln ein numinoses Beziehungserleben (> Numinosität), so fixiert sich der klassische Tanz auf die menschliche Mitte, um die sich die Extremitäten bewegen sollen. Die Bindung an die Erde (> BIOS-Prinzip) soll zugunsten einer athletischen Leichtigkeit aufgehoben werden. In neuerer Zeit gibt es im Modern Dance Bestrebungen, die Natürlichkeit des Tanzes wieder zu beleben.

Keine

Literatur: Peter-Bolander, M. (1992): Tanz und Imagination; Wosien, M.-G. (1985): Tanz im Angesicht der Götter.

Autor: G. Hammerstein