Verstehen

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Keyword: Verstehen

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Definition: Nach allgemeinem Konsens ist der Verstehensprozess innerhalb der pschodynamischen Psychotherapie einer ihrer wichtigsten Wirkfaktoren. Hinter der allgemeinen Aussage "Verstehen heilt" oder der vom theoretischen und methodischen Hintergrund her formulierten Thematisierung "Heilung als Ich-Integration" steht die Erkenntnis, dass vor allem dann, wenn die Ursachen von Krankheiten psychische Prozesse sind, man sich die Heilung sinnvollerweise in erster Linie ebenfalls als psychisches Prozessgeschehen (> Prozess, dialektischer) vorstellen muss. In der Analyse gilt das Verstehen vor allem dem Unbewussten: "Die Integration des Unbewussten ins Bewusstsein hat Heilwirkung" (Jung, GW 5, § 672).

Information: Neben der Unterscheidung des analytisch-reduktiven vom synthetisch-konstruktiven Verstehen - letzteres hält C. G. Jung für wichtiger - ist für Jung der Beziehungsaspekt für das Zustandekommen eines Heilung bewirkenden Verstehens von entscheidender Bedeutung. Wiedererinnern und Bewusstwerden allein besitzt keine heilende Wirkung. Deswegen hat schon S. Freud in der Frühzeit der > Psychoanalyse die kathartische Methode (> Katharsis) aufgegeben, als er die Übertragungsphänomene entdeckt hat und damit die Erkenntnis, dass das Beziehungsgeschehen zwischen Patient und Therapeut ein wichtiger Katalysator für das Gelingen oder Scheitern der Verstehensbemühungen ist.

Ein wirkliches Verständnis aus dem auch eine Wirkung resultieren kann, basiert auf dem Einverständnis zwischen Therapeut und Patient. Dieses ist aber - so das Verständnis der Analytischen Psychologie - nur möglich, wenn der Zugang zum Gegenüber nicht durch störende Projektionen und Übertragungen verstellt ist, denn dadurch kann der Andere nicht wahrgenommen werden wie er ist. Das Verstehen erreicht den Partner nur, wenn zwischen beiden das herrscht, was Jung "psychologisch richtige Beziehung" (vgl. Jung, GW 16, § 276]]), "Mensch-zu-Mensch-Beziehung" (vgl. Jung, GW 16, § 289]]), "rein menschliche Beziehung" (vgl. Jung, GW 16, § 286]]), "persönliche Beziehung" (vgl. Jung, GW 16, § 290]]) nennt. Der Patient braucht dieses wirkliche Verstehen in der Beziehung auch subjektstufig, um die Dissoziation zwischen] Bewusstsein und Unbewusstem, das Kernproblem der Neurose, zu überwinden. 

Wirkliches Verstehen bedarf der optimalen Distanz und braucht einen Verstehensraum, in dem aktives gegenseitiges Verstehen zweier, in ihrer Eigenständigkeit unangetasteten, Menschen möglich ist. Mit aktivem Verstehen fordert Jung eine aktive Auseinandersetzung mit dem zu Verstehenden, z. B. dem Unbewussten. Damit ist keinesfalls eine einmalige stimmige Deutung gemeint oder die Mitteilung eines beim Therapeuten vorhandenen Vorwissens, schon gar nicht ein Überzeugen- oder Belehrenwollen des Patienten. Vielmehr ist das die Integration ermöglichende Verstehen ein ausgedehntes Prozessgeschehen. Deshalb ist es auch angebracht, weniger von Deutungen, sondern von Deutungsarbeit und noch spezieller von tiefenhermeneutischer Deutungsarbeit zu sprechen (vgl. Schulz-Klein, 1997). Bei diesem Prozess, bei dem sich der Patient quasi zu seiner Wahrheit entwickelt, spielt Erkennnis meist eine entscheidende Rolle, sowohl in ihrem affektiv-erlebenden Aspekt wie auch in ihrem intellektuell-verstandesmäßigen.

Literatur: Reinelt, T., Datler, W. (Hrsg.): Beziehung und Deutung im psychotherapeutischen Prozess; Schulz-Klein, H. (1997]]): Eros, Hermes, die Hermeneutik und die tiefenhermeneutische Deutungsarbeit.

Autor: H. Schulz-Klein