Empathie

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Keyword: Empathie

Links: > Akzeptanz > Beziehung > Beziehung, therapeutische > Emotion > Eros-Prinzip > Wirkfaktoren, psychotherapeutische

Definition: Empathie (Zusammensetzung aus griech. em: hinein; griech. pathein: leiden) bezeichnet die Fähigkeit, sich in die Situation und emotionale Lage eines anderen Menschen hineinzuversetzen und ihn und sein Verhalten auf diese Weise sowohl gefühlsmäßig, als auch kognitiv zu „verstehen“ (> Verstehen). Ein Synonym für die Empathie ist Einfühlung.

Information: Es erscheint so selbstverständlich, dass ein Psychotherapeut oder Analytiker sich in seine Patienten einfühlen muss, um nachvollziehen zu können, wie es ihnen geht und woran sie leiden, dass darüber zunächst kaum reflektiert worden ist. H. Kohut hat als erster Wesen und Bedeutung der Empathie genau untersucht und sie als das eigentliche Erkenntnisinstrument jeglicher > Analyse, die sich auf das Innenleben des Menschen bezieht, betrachtet. Er möchte Empathie nicht mit Sympathie oder sentimentalem Mitgefühl verwechselt sehen. Vielmehr ist Empathie zunächst eine wertneutrale Beobachtungsmethode, die auf das Innenleben des Menschen eingestellt ist.

Empathie hat das Ziel „in einem einzigen Akt sicherer Erkenntnis komplexe psychische Konfigurationen (in anderen Menschen) zu erfassen“ (Kohut, 1966, S. 578). In der > Psychoanalyse hat man z. B. von „Versuchsidentifikationen“ gesprochen (Loch, 1965, S. 41). Kohut definiert Empathie auch als stellvertretende > Introspektion. Allerdings ist es nur beschränkt möglich, Seins-Weisen und Erfahrungen anderer Menschen in einfühlender Weise nachzuvollziehen, insbesondere dann, wenn sie den eigenen Erlebnismöglichkeiten vollständig fremd sind. Die Fähigkeit zu Empathie hängt somit weitgehend mit dem Differenzierungsgrad (> Differenzierung) jeweiliger Selbstwahrnehmung zusammen, hat also immer eine ausgeprägte subjektive Komponente. Deshalb ist es oft schwierig zu unterscheiden, ob man jemanden aufgrund von Einfühlung wirklich versteht oder unbewusst in ihm vor allem die eigenen Projektionen (> Projektion) wahrnimmt. Empathie ist aber nicht nur Erkenntnisinstrument, sondern auch von entscheidender psychotherapeutischer Wirksamkeit (> Wirkfaktoren, psychotherapeutische). Die empathische Haltung des Therapeuten kommt menschlichen Grundbedürfnissen (> Bedürfnishierarchie) entgegen, nämlich dem Bedürfnis, gehört, gesehen, verstanden und anerkannt zu werden. Deswegen hat das Erleben von Empathie starken Einfluss auf das > Selbstwertgefühl und die Identitätsentwicklung (> Identität, personale). Empathie teilt dem Patienten mit: „Ich bin es wert, Echo zu bekommen. Ich bekomme Echo, also bin ich.“

Literatur: Jacoby, M. (1985): Individuation und Narzissmus; Jacoby, M. (1993): Übertragung und Beziehung in der Jungschen Praxis; Kohut, H. (1977): Introspektion, Empathie und Psychoanalyse.

Autor: M. Jacoby