Vaterbild

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Keyword: Vaterbild

Links: > Bewusstsein, patriarchales > Logos-Prinzip > Männliches und Weibliches Prinzip > Mutterbild > Patriarchat > Vaterarchetyp > Vater, Großer > Vaterkomplex

Definition: Der Begriff Vaterbild bezeichnet in der Analytischen Psychologie das Bild oder die Imago die ein Einzelner vom Thema Vater in sich trägt. Dieses formt sich aufgrund der Wirksamkeit des Vaterarchetyps in der Psyche aus den persönlichen Erfahrungen mit dem biologischen oder sozialen Vater und anderen Vaterfiguren und dem Vatererleben im weitesten Sinn. Der persönliche Vater ist wie die Mutter eine entscheidende Gestalt für jeden Menschen, genauso ist das Vaterbild auch von den Vaterfiguren und Vaterbildern des kollektiven Bewusstseins und des kollektiven Unbewussten geprägt.

Information: Das kollektive Bewusstsein ist bis vor wenigen Jahrzehnten eindeutig patriarchal orientiert gewesen, d. h. durch die Herrschaft des Vaters als Oberhaupt der Familie bestimmt. Zur realen Macht der guten wie der schlechten persönlichen und kollektiven Väter - letztere begegnen dem Einzelnen beispielsweise in "Vater" Staat, in der Rolle des Vaters als Ernährer und Beschützer der Familie - tritt in der patriarchalen Kultur die Macht des patriarchalen Denkens generell in seinen positiven wie in seinen negativen Erscheinungsformen und die Macht des patriarchal geprägten > Gottesbildes zutage.

Auch die > Entwicklungspsychologie beschreibt Vaterbilder, etwa in der Vorstellung vom ]] > Ödipuskomplex und im Konzept der Triangulierung (> Triade/Triangulierung) und nimmt so auch Einfluss auf sie. Beide Konzepte orientieren sich im Grunde am patriarchalen Vaterbild des mächtigen und rivalisierenden, des zürnenden und des fordernden Vaters, wobei allerdings im Konzept der Triangulierung auch die positiven Seiten des Vaters deutlicher erkennbar werden. Hierbei ist das Vaterbild geprägt - auch durch die männlich-väterlichen Seiten der Mutter hindurch (> Animus) - von einem fordernden, aktiven, progressiven Element, von dem Anreize zur Neugier auf die Welt und zur > Autonomie ausgehen. Es beinhaltet ein flexibleres, auch unstetes Element: Väter sind nicht immer da, sie müssen gesucht werden, die Beziehung zu ihnen muss aufgebaut werden, verlangt Bereitschaft und Aktivität vonseiten des Kindes und des Vaters. Die Art und Weise, wie diese Beziehung entwickelt wird, kann mit entscheiden darüber, wie ein Mensch mit der Welt und ihren Impulsen und Anforderungen umgeht, wie er sich darin aufgenommen und ernst genommen fühlen kann und welche Antworten er auf seine Aktivtäten von der Welt erwartet. Vater und Väterliches kann als zwingend, bemächtigend, einbrechend, rivalisierend, ängstigend erlebt werden, aber auch befruchtend und klärend, führend, zeigend, gestaltend. Darüber hinaus beeinflusst das Vaterbild die Beziehung des Jungen und des Mädchens zum männlichen Geschlecht entscheidend, denn Vater-Sein ist ein Aspekt des Männlichen (> Männliches und Weibliches Prinzip) und kann von diesem nicht getrennt werden.

Die gesellschaftlichen Umbrüche und die Veränderungen im kollektiven und individuellen]] > [[Bewusstsein vieler Menschen als Reaktion auf die Krise des Patriarchats im 20. Jh. spiegeln sich auch in der individuellen Vater-Kind-Beziehung und im Vaterbild teilweise positiv, teilweise negativ wider. Kollektiv scheint mit der Krise der patriarchalen Werte auch vorübergehend eine "vaterlose Gesellschaft" (A. Mitscherlich) geprägt zu werden, L. Zoja spricht in der Analytischen Psychologie vom "Verschwinden der Väter". (vgl. Zoja, 2002) 

Kollektive Vaterbilder werden in den patriarchalen Religionen (> Gottesbild) in aller Ambivalenz vermittelt und finden sich beispielsweise in den Märchen und > Mythen, in der Dichtung, der Musik und in der Kunst überhaupt in vielfältigsten Facetten gestaltet.

Literatur: Petri, H. (1989): Erziehungsgewalt: zum Verhältnis von persönlicher u. gesellschaftlicher Gewaltausübung in d. Erziehung; Rasche, J. (1988): Prometheus. Der Kampf zwischen Sohn und Vater; Winker, B. (1996): Der Untergang des Väterlichen: Symptom unserer Zeit oder Herausforderung für Tiefenpsychologie und Psychotherapie; Zoja, L. (2002): Das Verschwinden der Väter.

Autor: J. Rasche