Gehirn
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Definition: Mit Gehirn (griech. enkephalon; lat. cerebrum; ahd. hirni) wird allgemein das, bei Wirbel- und Säugetieren, in der Schädelhöhle liegende Nervengewebe bezeichnet, das mit dem Rückenmark das zentrale Nervensystem bildet. Das Gehirn als Netzwerk einzelner Nervenzellen gilt als Schaltzentrale sowohl endokriner und vegetativer Prozesse, als auch als organisches Korrelat von Wahrnehmen und Erkennen, instinkthaftem und willkürlichem Verhalten, Emotionen, Lernen und Gedächtnis, Bewusstsein sowie der höheren intellektuellen Fähigkeiten.
Information: Für C. G. Jung ist das Gehirn ‚sowohl nicht‘- als ‚auch doch‘- Produzent der Psyche (> Biologie). So sehr die Psyche ein eigenständiges Phänomen ist, welches nicht als „Sekret des Gehirns“ verstanden werden kann, ist das Gehirn doch der organische Produktionsort der psychischen Inhalte. Das Gehirn funktioniere wie ein „Reflexbogen“ nach präformierten Möglichkeitsbedingungen: ein von außen nach innen sich bewegender Reiz und ein von innen nach außen sich bewegender Anstoß. Hierin eingeschoben sind Vorstellungen, Abbilder des „Reflexbogens“, deren Qualität modal (Bild, Ton, Muskelbewegung, Gefühl etc.) unterschiedlich ist. Diese, in unendlicher Folge, im Gehirn entstehenden „Bilder“ treten entweder in Beziehung zum Ich-Bewusstsein oder bleiben unbewusst. Insbesondere das kollektive Unbewusste (> Archetyp > Unbewusstes, kollektives) mit seinen archetypischen Erlebens- und Verhaltensdispositionen wird bei ihm mit dem Gehirn verbunden. Jung diskutiert Psychisches aber auch abgekoppelt von cerebralen Funktionen oder aber erzeugt von anderen Nervensystemen, wie dem Sympathikus. Obwohl Störungen des Gehirns Störungen des Psychischen nach sich ziehen, gilt die Eigenständigkeit des Psychischen auch für die „Geisteskrankheiten“ (endogenen Psychosen), die als „Gehirnkrankheiten“ nicht hinreichend verstehbar sind.
Für die aktuelle Neurobiologie ist das Gehirn ein, aus multiplen Modulen (Assemblies), zusammengesetztes Multi-System, das von seiner funktionellen Architektur her als „Parallel-Prozessor“ zu interpretieren ist, der die Funktionen der „Signifikanzdetektion“ aufweist. Dabei geht man davon aus, dass menschliche Gehirne nicht primär informationsverarbeitende Systeme sind, sondern „wirklichkeitsschaffend“ in dem Sinne, dass Wirklichkeitshypothesen (> Konstruktivismus) generiert werden und anhand der verfügbaren Daten bestätigt oder abgewiesen werden.
Literatur: Ratey, J. J. (2001): Das menschliche Gehirn; Roth, G. (1994): Das Gehirn und seine Wirklichkeit.
Autor: J. Schlimme, H. Emrich