Systemtheorie

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Keyword: Systemtheorie

Links: > Komplexität > Psyche > Selbst > Selbstregulation

Definition: Systemtheorie (griech. systema: Vereinigung, Ganzes, Gefüge, Zusammenschluss eines Mannigfaltigen zu einem einheitlichen, gegliederten Ganzen, in dem jedes Einzelne die ihm angemessene Stellung einnimmt) bezeichnet die interdisziplinäre Erforschung der strukturellen und funktionalen Eigenschaften natürlicher und sozialer Organisationen und technischer Systeme. Die Systemtheorie wird als Teil eines umfassenden systemtheoretisch-kybernetischen Konzepts verstanden. Kybernetik untersucht Systeme unterschiedlicher Art auf ihre Steuerungs- und Regulationsmechanismen, sodass mit diesem Ansatz neben den statischen auch die dynamischen Aspekte von Systemen erfasst werden können. Dabei werden auch offene, das heißt sich verändernde, Systeme und die Untersuchungen von Ungleichgewichtssituationen und Phänomenen der Selbstorganisation einbezogen.

Systemtheorien versuchen, Systeme aufgrund ihrer formalen Merkmale zu beschreiben. Der Begriff entstammt der Ingenieurwissenschaft und wird durch Abstraktion aus dem steuerungstechnischen Regelkreis (Modell: Thermostat) gewonnen. Seit 1950 wird durch T. Parsons, amerikanischer Soziologe, die systemische Sicht in die Soziologie eingeführt. Parsons entwickelt eine soziologische Makro-Theorie: der soziale Zusammenhang von Großkollektiven (> Kollektiv) wird als Gesellschaft beschrieben und diese auf der Ebene von Funktionssystemen und deren Zusammenwirken erklärt. In Deutschland wurde die Systemtheorie seit 1965 durch N. Luhmann einflussreich vertreten. Parallel entstehen in der psychologischen Theorienbildung Systemgedanken (> Familientherapie > Gruppenpsychotherapie > Komplexität > Konstruktivismus).

Information: In der Analytischen Psychologie wird schon sehr früh ein systemisches Denken entwickelt, u. a. mit der Vorstellung einer bewusst-unbewussten Ganzheit der Persönlichkeit, mit der Beobachtung der > Kompensation und > Selbstregulation sowohl in individuellen, wie auch in kollektiven Prozessen, mit dem Energie- und Libidoverständnis, dem Prinzip der > Polarität usw.

"Die Seele als ein selbstregulierendes System ist balanciert wie das Leben des Körpers. Für alle exzessiven Vorgänge treten sofort und zwangsläufig Kompensationen ein, ohne sie gäbe es weder einen normalen Stoffwechsel, noch eine normale Psyche. In diesem Sinne kann man die Kompensationsiehre als eine Grundregel für das psychische Verhalten überhaupt erklären. Das Zuwenig hier erzeugt ein Zuviel dort." (Jung, GW 16, § 330f)

Die der Individuation zugrunde liegende Theorie geht von einer systemischen Wechselwirkung von Einzelnem (> Individualität > Prinzipium individuationis), Mitmensch und sozialer Organisation (> Beziehung > Beziehungsquaternio > Familie > Gesellschaft > Kollektiv) aus. Über das kollektive Unbewusste (> Unbewusstes, kollektives) partizipiert der Einzelne am Gesamt der Menschheit. Auch psychische Störungen (> Neurose > Psychose) sind für C. G. Jung ein Versuch des selbstregulierenden psychischen Systems, das Gleichgewicht wieder herzustellen.

Keine

Literatur: Keine

Autor: W. Pätzold, H. M. Emrich